Auf der Spielemesse E3 in Los Angeles unterstrichen die Hersteller, dass Konsolen heutzutage mehr können müssen als Videogames darstellen.
Es sei ein „Krieg der Ökosysteme“, der im Smartphone-Markt tobe, konstatierte Nokia-Chef Stephen Elop bereits im Februar 2011. Der in diesem Krieg bisher wenig erfolgreiche Software-Riese Microsoft will die Konkurrenz von Apple und Google offenbar mit einem Flankenmanöver überlisten. Während das Handy-Betriebssystem Windows Phone kaum Fahrt aufnimmt, boomt die Spielkonsole Xbox 360 – sie ist die derzeit meistverkaufte Konsole weltweit. Mit dem auf der E3, der wichtigsten Videospielmesse des Jahres, vorgestellten Smartglass soll dieser Erfolg nun auch in den Mobilbereich geleitet werden.
Smartglass ermöglicht es Nutzern, mit einer simplen App die Xbox 360 zu steuern oder etwa Filme auf einem Gerät zu beginnen und auf dem anderen fertig zu sehen. Die Konsole lässt sich auch via Smartphone fernsteuern. Das ist dann interessant, wenn man etwa den demnächst erscheinenden Internet Explorer für die Xbox bedienen will. Der Touchscreen des Handys dient dann dazu, eine Art Mauszeiger zu kontrollieren.
Smartglass nicht nur für Windows
Das Besondere für Microsoft: Die App wird nicht nur für die hauseigenen Betriebssysteme Windows 8 und Windows Phone erscheinen, sondern auch für Apples iOS und Googles Android. Smartglass soll die Reichweite von Microsoft ausdehnen. Während die anderen direkt im Mobilgerätemarkt um Kunden buhlen, will Microsoft mit dem neuen Angebot den Kampf vom Wohnzimmer aus gewinnen. Ein mögliches Szenario: Smartglass-Basisfunktionen sind für alle Plattformen möglich, aber einige spannende Anwendungen sind nur auf einem Windows Phone oder einem anderen Gerät mit Microsoft-Software verfügbar.
Auf der E3 lag der Fokus eindeutig auf Windows-8-Tablets. Von diesen wurden zeitgleich auf der Computex in Taiwan, der zweitgrößten Computermesse der Welt, gleich einige vorgestellt. Namhafte Hersteller wie Asus, Acer und Samsung hatten gleich mehrere Tablets (die meisten mit abnehmbarer Tastatur) im Gepäck.
Mehr als nur Spiele
Konsolen müssen heutzutage mehr leisten als nur Spiele ins Wohnzimmer zu liefern. Microsoft hat seine Xbox 360 zu einer umfassenden Medienzentrale ausgebaut, ein Video-on-Demand-Dienst (der auch in Österreich verfügbar ist) sorgt dafür, dass das Gerät nicht nur für Spieler interessant wird. Auf der E3 wurde dann noch der Dienst „Xbox Music“ angekündigt, zu dem aber keine großen Details genannt wurden. Er soll 30 Millionen Songs umfassen. Ob per Download oder Stream, in welchen Ländern und zu welchen Preisen, ist unbekannt.
Auch Sonys PlayStation 3 ist mit seinem Blu-ray-Laufwerk und zahlreichen Medienfunktionen mehr als nur ein Spielgerät. Und Nintendos auf der E3 neu vorgestellte Konsole Wii U soll (zumindest in den USA) Zugriff auf die Video-Anbieter Netflix, Hulu und Amazon Video erhalten. Welche Dienste in Österreich verfügbar sein werden, ist noch unklar. Auch Preise für die Wii U nannte Nintendo nicht. Dafür wurde der ungewöhnliche, einem Tablet ähnelnde Controller ausführlich vorgestellt, sowie zahlreiche neue Spiele – ein „Super Mario“-Titel durfte dabei natürlich nicht fehlen. Früher zählte Nintendo zu den familienfreundlichen Herstellern. Viele der auf der E3 gezeigten Spiele waren dann aber doch recht blutrünstig.
Aber auch Microsoft und Sony präsentierten zahlreiche Spiele. Erstere zeigten wie erwartet „Halo 4“ sowie einige andere Fortsetzungen bekannter Titel. Sony hatte für die PlayStation ein paar neue Schöpfungen auf Lager, wie das großartig aussehende Mystery-Game „Beyond: Two Souls“ und das postapokalyptische „Last of Us“ vom Entwicklerstudio Naughty Dog, die bisher für die erfolgreiche „Uncharted“-Reihe verantwortlich waren.
Gemeinsam Stellen meistern
Dass Spielen mit Freunden oder durch deren Unterstützung mehr Spaß macht, haben alle Hersteller erkannt. Nintendo will mit seinem Miiverse ein Forum für Tipps und Tricks schaffen. Stürzt man etwa beim neuen „Super Mario Bros. U“ auf der Wii U ab, sieht man im Anschluss Kommentare von anderen Spielern, die an derselben Stelle gescheitert sind, oder Hinweise geben, wie man sie meistern kann.
Microsoft hat bereits seit Jahren mit Xbox Live ein (kostenpflichtiges) Online-Angebot, Sonys PlayStation Network ist gratis.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2012)