Apple und das Patent zur Weltherrschaft

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Symbolbild(c) REUTERS (MICHAELA REHLE)
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Apple trägt im Patentstreit mit Samsung einen Sieg davon. Die Südkoreaner müssen eine Milliarde Dollar Strafe zahlen. Jetzt winkt Apple in den USA eine Monopolstellung. Schon Jobs verglich Patente mit Atombomben.

Offensichtlich bestand das neunköpfige Geschworenengericht aus Elektronikgenies. Denn im Patentstreit der Smartphone-Giganten Apple und Samsung brauchten sie nur drei Tage, um die 773 Anklagepunkte durchzuackern und zu einem einstimmigen Urteil zu kommen. Und dieses Urteil hatte in der Nacht auf Samstag historische Dimensionen. Der südkoreanische Samsung-Konzern wurde schuldig gesprochen, das Design und die Funktionsweise des Apple-iPhone und -iPad kopiert zu haben. Laut Jury hat Samsung absichtlich Apple-Patente verletzt und soll deshalb eine Milliarde Dollar (835 Millionen Euro) Schadenersatz zahlen.

Experten hatten mit einer Beratungszeit von einer Woche gerechnet. Als Richterin Lucy Koh Freitagabend plötzlich alle Beteiligten in den Verhandlungssaal 1 des Bundesgerichts im kalifornischen San José rief, war die Überraschung der Reporter groß. Und die Gesichter der Samsung-Anwälte wurden immer länger. Denn sie ahnten, dass die kurze Beratungszeit nichts Gutes für sie zu bedeuten hat.

Im nur wenige Kilometer vom Gerichtsgebäude entfernten Apple-Hauptquartier in Cupertino knallten vermutlich die Champagnerkorken. Für das wertvollste Unternehmen der Welt ist dieses Urteil zweifelsfrei ein großer Triumph, auch wenn die Strafe nicht wie gefordert 2,5 Milliarden Dollar beträgt. Denn es geht gar nicht um diese läppische Milliarde, die für beide Konzerne mehr als leicht zu verkraften ist. Allein im vergangenen Quartal erzielte Samsung in der Telekom-Sparte einen Nettogewinn von 4,5 Milliarden Dollar. Samsung verkaufte nach Angaben des Marktforschungsunternehmens IDC im zweiten Quartal dieses Jahres 50,2 Millionen Smartphones. Zum Vergleich: Apple musste sich mit „lediglich“ 26 Millionen zufriedengeben.

Nicht die Höhe der Strafe macht das Urteil von San José so wichtig für Apple, sondern die daraus resultierenden Konsequenzen. Denn am 20.September will Richterin Koh entscheiden, ob Samsung nun auch alle Verkäufe in den Vereinigten Staaten untersagt werden. Tritt das ein, hätte Apple den größten Markt der Welt quasi für sich allein.


Monopolstellung in den USA? Diese Monopolstellung Apples in den USA, so sind sich Experten einig, würde einen zweiten großen Verlierer hervorbringen. Die Rede ist von Google. Dessen Betriebssystem „Android“ steckt in den Samsung-Geräten und auch in jenen anderer vermeintlicher Apple-Nachahmer. „Das Urteil wird es nicht nur Samsung, sondern auch anderen erschweren, die Apple-Produkte nachzumachen“, sagte Robert Barr, der Direktor des Berkeley Centers of Law and Technology an der University of California, zur „New York Times“.

Das Urteil ist auch eine späte Genugtuung für den im Oktober vergangenen Jahres verstorbenen Apple-Gründer Steve Jobs. Er bezichtigte Google jahrelang, die iOS-Software des iPhones kopiert zu haben und kündigte der Konkurrenz einen „Atomkrieg“ an. Schon bei der Präsentation des ersten iPhone Anfang 2007 rief Jobs von der Bühne: „Junge, haben wir das patentiert!“ Er meinte diesen Ausruf als Drohung und Warnung an die Konkurrenz.

Der Patentstreit der beiden Giganten widerspiegelt auch eine ökonomische Entwicklung. Während Handelshemmnisse und Zölle weltweit – wenn auch langsam – zurückgedrängt werden, gehen immer mehr Handelshemmnisse von Patenten aus.

Allein im vergangenen Jahr wurden weltweit 243.000 Patente zur Anmeldung eingereicht. In den USA wurden zum Schutz des geistigen Eigentums 59.000 Patente beantragt, in Japan waren es 47.000, in Deutschland mehr als 33.000. In Österreich waren es immerhin 2347. Damit zählt das Land zu den Top 20 der Welt.


Adam Smith hasste Patente. Dass Patente tatsächlich dem Fortschritt zuträglich sind, wurde seit jeher von Experten bezweifelt. Einer der ersten und größten Gegner war der britische Philosoph und Ökonom Adam Smith. Dem Begründer der klassischen Nationalökonomie waren Patente „ein notwendiges Übel, mit dem möglichst sparsam umzugehen ist“.

Von sparsamem Umgang kann schon lange nicht mehr die Rede sein. Als Audi vor einigen Jahren den A 6 auf den Markt brachte, rühmte sich der deutsche Autobauer in einem Werbespot, dass er für die Entwicklung dieses Modells 9621 Patente anmelden ließ.

Im Rechtsstreit zwischen Apple und Samsung geht es um sieben US-Patente. So schützen die Patente D618677 und D593087 das Design des iPhone mit seiner Glasoberfläche, dem Bildschirmrahmen und dem Lautsprecherschlitz. Laut Urteil hat Samsung mit zwölf Modellen gegen mindestens eines der Patente verstoßen. 13 Samsung-Handys verstoßen gegen Patent D604305, das die Anordnung der rechteckigen App-Symbole schützt. Gefinkelt wird es bei Patent 7469381. Dieses schützt die Apple-Funktion, bei der der Bildschirminhalt in seine ursprüngliche Position zurückspringt, wenn er mit dem Finger zu weit gezogen wurde. Gleich 21 Samsung-Geräte verstoßen laut dem Gerichtsurteil gegen dieses geistige Eigentum.

Kritische Stimmen behaupten, dass in den USA mittlerweile 90 Prozent der Patente einfach abgesegnet werden, vielfach aus Überlastung der einzelnen Behörden. Die einzigen, die über diese Entwicklung nicht klagen können, sind Anwälte, sie dürfen klagen. Noch nie gab es in den USA so viele Patentverfahren.
Erster Patentstreit 720v.Chr. Gestritten wurde über den Schutz des geistigen Eigentums bereits in der Antike. Der griechische Schriftsteller Athenaios (300 n.Chr.) verwies auf den Geschichtsschreiber Phylarchos, der bereits 720 v.Chr. von einem Patentstreit in der süditalienischen Kolonie Syberis berichtet habe. Dort sollte ein Koch einen einjährigen Patentschutz für eine neu kreierte Speise erhalten. „Während dieser Zeit sollte er den geschäftlichen Gewinn davon haben, damit die anderen sich anstrengten und wetteifernd sich in solchen Erfindungen zu übertreffen suchten“, heißt es.

Das erste Patengesetz im heutigen Sinne wurde 1474 in Venedig erlassen. Erst 1624 wurde in England das „Statute of Monopolies“ veröffentlicht. Nicht um Monopole und Patente zu schaffen, sondern um die Vielzahl an Privilegien einzudämmen.

Hat das Patentrecht zu mehr Gerechtigkeit geführt? So manche Episode lässt daran zweifeln. Dass Alexander Graham Bell als Erfinder des Telefons gilt, verdankt er nicht seinem Genie, sondern einer List. Er quartierte sich 1873 in eine Werkstatt ein, die zuvor dem aus Italien stammenden Antonio Meucci gehörte. Dort fand Bell die Skizzen eines Fernsprechapparats. Im Gegensatz zu Meucci hatte Bell genügend Geld, um die Erfindung patentieren zu lassen. Meucci starb in bitterer Armut, Bell gründete die American Telephone and Telegraph Company AT&T.

Heute wird nicht mehr um Telefone, sondern um Smartphones und iPads gestritten. Patente regieren die Welt. „Statt Innovationen zu fördern, verhindern sie technischen Fortschritt“, sagte Adam Smith vor einem Vierteljahrtausend.

Ein US-Bundesgericht verurteilte am Freitag den südkoreanischen Konzern Samsung zu einer Schadenersatzzahlung von einer Milliarde Dollar an den US-Konzern Apple.

Samsung habe US-Patentrechte verletzt, urteilten die Geschworenen. Am 20.September verkündet die Richterin, ob Samsung weiterhin in den USA Handys verkaufen darf.

Am 12.September präsentiert Apple den USA das neue iPhone 5. Möglicherweise verfügt der Konzern in den USA bald über ein Monopol.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2012)

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