Der Apple-Hype und die Realität

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AppleHype Realitaet(c) Reuters (Robert Galbraith)
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Der Hersteller von iPod, iPhone und iPad lässt Software-Giganten Microsoft hinter sich. Während der Tablett-PC iPad nach Europa kommt, dürfte das nächste iPhone bevorstehen.

NEW YORK/WIEN.Bill Gates muss sich fühlen wie einst der legendäre IBM-Boss Frank Cary: Er hat den Microsoft-Gründer beauftragt, ein Betriebssystem zu programmieren– und dann war Microsoft an der Börse plötzlich mehr wert als IBM.

Jetzt ergeht es Microsoft ähnlich: Der Fastmonopolist bei PC-Betriebssystemen hatte in der Nacht auf Donnerstag bei Börsenschluss in New York eine Marktkapitalisierung von 219, Apple von 222 Milliarden Dollar. Damit war der Technologiekonzern die Nummer zwei hinter dem Ölgiganten Exxon mit 279 Milliarden Dollar. Die Zahlen mögen sich am Donnerstag leicht geändert haben. Tatsache bleibt, dass Apple erstmals seit dem 19. Dezember 1989 mehr wert war als Microsoft. Gates könnte es egal sein, schließlich konzentriert sich der seit Langem reichste Mann der Welt auf seine humanitären Stiftungen. Aber seine Nachfolger bei Microsoft sind zweifellos alarmiert.

„In den 70er-Jahren gingen Steve Jobs und Steve Wozniak im Wohnflügel der University of California in Berkeley von Tür zu Tür und verkauften ,Blue boxes‘ – elektronische Geräte, die das Uni-Netz austricksten und Ferngespräche ermöglichten.“ So begann im Onlinemagazin CNET 2006 die Würdigung des Computerkonzerns Apple zum 30-jährigen Bestand.

Heute würde den Unterhaltungsriesen im kalifornischen Cupertino niemand mehr „Computerkonzern“ nennen – berühmt ist Apple für den Musikspieler iPod, die Software iTunes, den ebenso benannten Onlineshop und das Handy iPhone. Das tablettförmige iPad ist hierzulande noch nicht erhältlich – die Deutschen dürfen es ab heute, Freitag, kaufen.

Neues iPhone am 7. Juni?

Ebenfalls ab heute reduziert die US-Kaufhauskette den Preis des iPhone 3GS bei Vertragsabschluss mit dem Betreiber AT & T von 197 auf 97 Dollar. Kenner der Apple-Usancen schließen aus dieser Tatsache, dass das Vorgängermodell 3G aus dem Verkehr gezogen wird, das 3GS zum „Einstiegsmodell“ mutiert und Steve Jobs bei der Entwicklerkonferenz am 7. Juni das neueste Gerät vorstellen wird.

So oder ähnlich machte das Apple schon immer. Mit dem Unterschied, dass die Taktik nicht immer zum Erfolg führte. Keine zwei Jahrzehnte nach der Gründung (1976) stürzte das Unternehmen aus dem siebenten Himmel der Computerhersteller. „Schuld“ war Microsoft, weil es mit seinen Windows-Betriebssystemen Herstellern wie IBM, Compaq und HP an die Spitze der PC-Statistiken verhalf. Compaq existiert inzwischen nur noch als Markenname unter dem Dach des Käufers Hewlett-Packard, und IBM hat die PC-Produktion an den chinesischen Riesen Lenovo ausgelagert.

Jobs „zurückgekauft“

Apple hatte eine Katastrophenzeit. Außer der eingeschworenen „Apfelgemeinde“ von Kreativen und Studenten schien niemand einen Mac kaufen zu wollen, weil die Kompatibilität mit der PC-Welt infrage gestellt war. Jobs wurde 1985 durch John Sculley, den er von Pepsi Cola geholt hatte, aus dem Konzern gedrängt. Es wurden hunderte Millionen Dollar verbrannt, als man mit Systemen wie Be experimentierte. Die Nachfolger übernahmen den von Jobs gegründeten Hersteller NeXT und den Gründer selbst. Er wurde zum längstdienenden Interimschef der Branche. Inzwischen ist er wieder auf Dauer installiert, woran auch seine Gesundheitsprobleme nichts ändern können.

Nicht, dass sich Jobs nicht auch verrechnet hätte. Einen Flop leistete er sich mit dem „Cube“, einen Totalflop mit dem Betriebssystem Newton und dem als genial, aber nicht marktgerecht eingestuften gleichnamigen Kleincomputer. Der dient in gebührendem technologischen und zeitlichen Abstand als Vorbild des iPhone.

Noch 1997 rang Apple ums Überleben. Ironie des Schicksals: Microsoft gehörte zu jenen, die dem damaligen Computerkonzern aushalfen. Der Softwaregigant trug mit 150 Millionen Dollar dazu bei, dass sein Office auch auf Apples Macs zu benutzen war.

Doch dann kam die Zeit der Revolutionen: iTunes veränderten den Umgang mit Musik, und der iPod wurde zum Kult. Apple wurde eine Marke, die mit Coca-Cola wetteiferte. Das Unternehmen setzte im Startjahr 2006 fast 14Milliarden Dollar um. Heute sind es 13,5 Milliarden – im ersten Quartal des laufenden Jahres.

Bloomberg

Die letzte Zahl enthüllt eine börsentypische Ungerechtigkeit. Denn Apple hinkt beim Quartalsumsatz Microsoft um eine Milliarde hinterher. Und bei den Geräten rangiert Apple unter „ferner liefen“: Bei Computern ist es die Nummer sieben der Welt, bei Handys erst neuerdings die Nummer sechs.

Gartner

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2010)

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