iPad: Siegeszug der Multi-Medien-Maschine

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GERMANY ECONOMY MEDIA(c) EPA (Marcus Brandt)
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Digitale Evolution. Apples iPad hat in vielen Bereichen die Art und Weise, wie Inhalte konsumiert werden, verändert.

Nichts weniger als „magisch“ sollte es sein, verkündete Apple-Chef Steve Jobs, als er im Jänner das iPad vorstellte. Für sich und sein Unternehmen behielt der charismatische Firmengründer damit recht. Bis Ende September hat Apple bereits 4,5 Millionen Stück des Geräts verkauft, von dem zu Beginn noch keiner so recht wusste, wofür man es brauchen kann. Damit hängt das iPad im Vergleich nicht nur die erste Version des iPhone im Jahr 2007 ab, sondern auch die DVD-Player in ihrem ersten Jahr.


Inzwischen hat sich auch geklärt, wofür der flache, schwarz spiegelnde tastenlose Tablet-Computer zu gebrauchen ist: Das iPad bietet nicht einfach nur Multimedia, sondern ist eine Multi-Medien-Maschine. Neben den klassischen elektronischen Anwendungsfällen wie Musik oder Videos kristallisiert sich das iPad immer mehr als Lesegerät heraus. Ob daheim auf der Couch, in der U-Bahn auf dem Weg zur Arbeit oder seit wenigen Tagen auch offiziell im Plenarsaal des deutschen Bundestags (Laptops bleiben weiterhin verboten) – das iPad löst nur wenige Monate nach seinem Verkaufsstart vielerorts das Papier als Trägermedium für Informationen ab.

Alles in einem


Genau aus der Welt des Papiers kommen derzeit auch viele Impulse, die auf das Kultgerät von Apple abzielen. Nachdem die Anzeigenerlöse und Verkaufszahlen von Zeitungen sich seit Jahren im Tiefflug befinden, schnuppern die Medienhäuser jetzt digitale Morgenluft. Schon kurz nach der Veröffentlichung hatten zahlreiche Verlagshäuser speziell angepasste Digitalversionen ihrer Produkte auf dem iPad verfügbar. Derzeit verhandeln die US-Verleger über eine Art „iPad-Kiosk“ mit einem Abonnement-Angebot. Bisher müssen Kunden jede Ausgabe einzeln bezahlen. Grund dafür ist auch Apples rigides Bezahlsystem, das nur wenig Spielraum offenlässt. So musste etwa auch der deutsche „Spiegel“ seine iPad-Ausgabe für 3,99 Euro anbieten, während die Papierausgabe in Deutschland nur 3,80 Euro kostet.
Magazine setzen klar auf das Bezahlsystem, Tageszeitungen tun sich in der Hinsicht schwerer. Ihre Inhalte sind meist über die hauseigenen Webangebote kostenlos abrufbar. Medien müssen daher mit einer ausgeklügelten Bedienung oder Zusatzinhalten punkten, wenn sie ihre Kunden dazu bringen wollen, für ihr Angebot auch täglich Geld hinzulegen. Hier kommt eine Facette der digitalen Welt zum Tragen, die Zeitungen bisher großteils erspart blieb: Das sofortige User-Feedback. Entspricht ein Angebot nicht den Erwartungen, erhält es schlechte Bewertungen und verschwindet aus der Bestenliste. Das kann fatal werden, orientiert sich doch ein Großteil der iPad-Nutzer an diesen Listen, um nach neuen Inhalten zu suchen. Wer nicht unter den besten 25 oder 50 ist, hat nur geringe Chancen auf Erfolg.

Wischen statt blättern


Während die Verlage verhandeln und an ihren Angeboten tüfteln, freuen sich die Kunden. Sie sind nicht auf ein Medium beschränkt und können alle verfügbaren Zeitungen oder Magazine auf ein und demselben Gerät konsumieren und immer bei sich haben. Es wird nicht mehr geblättert, sondern dank Touchscreen und Fingergesten gewischt. Das haptische Element einer klassischen Zeitung ist also in gewissem Maß sogar vorhanden. Dazu kommen noch die Vorzüge von Musik- und Videoplayback, Internetzugang sowie zahlreiche Spiele, die über Apples App Store angeboten werden. Und die Akzeptanz von digitalen Medien steigt. Laut einer OGM-Umfrage gehen 36 Prozent davon aus, dass Zeitungen in Zukunft elektronisch konsumiert werden. Bei den Befragten unter 30 steigt dieser Wert sogar auf 48 Prozent.

Konkurrenz wacht auf


Das iPad ist derzeit der Hecht im Karpfenteich, aber bei Weitem nicht der einzige Raubfisch. Googles aus dem Handy-Markt bekannte Android-Plattform wird noch heuer auf diversen Tablet-Geräten auftauchen. Einen Vorstoß in diese Richtung hat Samsung mit seinem kompakten Galaxy Tab gezeigt. Dann ist da noch Amazon, dessen Kindle-Plattform den Beginn der digitalen Lesegeräte erst eingeläutet hat, im Multimediabereich aber weit abgeschlagen ist. Hinter beiden steckt genug Marktmacht, um Apple gefährlich zu werden. Das als deutsche Konkurrenz-Hoffnung gehandelte We Tab dürfte nach ersten Testberichten dem Tablet-Platzhirsch aber nicht gefährlich werden. Und das, obwohl sich dessen Chef selbst ins Zeug legte und unter falschem Namen positive Bewertungen auf Amazons Verkaufsplattform verfasste. Als der Schwindel aufflog, musste er seinen Hut nehmen.

Gerade Amazon wird als großer Herausforderer gehandelt. Immerhin hat Apple mit seiner E-Book-Plattform iBook dem erfolgreichen Kindle direkt den Kampf angesagt und greift damit Amazons Kerngeschäft an. Der Online-Händler hat mit einem neuen, günstigeren Lesegerät gekontert. Dank seiner speziellen Bildschirm-Technologie lässt sich ein Text durchaus angenehmer als auf dem iPad lesen, in Sachen Funktionsumfang muss das Amazon-Gerät sich aber geschlagen geben. So oder so, die Medienschlacht wird derzeit vorrangig digital geführt. Für die klassische Printausgabe ist dafür trotzdem noch Platz. Denn immerhin glauben 53 Prozent der von OGM Befragten, dass die gedruckte Zeitung auch weiterhin gelesen werden wird.

("Die Presse")

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