Kurzlebiges Adrenalin: Mirror¿s Edge für PC im Test

(c) Electronic Arts
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Nach Xbox 360 und PlayStation 3 dürfen seit 14. Jänner auch PC-Spieler sich durch die Stadt schwingen. DiePresse.com hat das innovative, aber viel zu kurze Spiel getestet.

Eins muss man Electronic Arts (EA) lassen: Mirror´s Edge ist vermutlich das durchgestylteste Spiel des Jahres 2008 und vermischt gekonnt Jump&Run mit Ego-Shooter. Vom Design der Spielwelt über die Protagonistin bis hin zum Soundtrack folgt alles einer einheitlichen Linie. Heldin Faith ist eine tätowierte Parkour-Künstlerin, die der Spieler möglichst schnell und elegant von einem Hochhaus zum anderen schwingen soll. Möglichst schnell ist eines der vielen Probleme des Spiels: Der Spielspaß ist extrem kurz geraten.

Faith und ihre Kollegen sind "Runner": Kuriere, die Nachrichten und Dokumente aller Art quer durch die Stadt transportieren. Möglichst, ohne von der Polizei erwischt zu werden. Die gehört nämlich zum Establishment, und das ist selbstverständlich böse. Warum genau, wird eigentlich nie so richtig klar. Vielleicht, weil sie die Stadt zu sauber gemacht haben.

Die wirkt auf den ersten Blick fast schon klinisch steril. Das von den Glasfassaden der Wolkenkratzer gespielte Sonnenlicht blendet dank HDR-Effekten den Spieler, die Innenräume sind sauber und penibel aufgeräumt. Die Spielwelt erstrahlt regelrecht in Weiß mit ein paar Farbtupfern. Innen ist es zumindest etwas bunter, wenn auch immer auf eine bestimmte Farbe ausgelegt. Wie erwähnt: durchgestylt bis zum Schluss.

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Laufen, Hüpfen, Sterben

Der Spieler nimmt als Faith die dystopische Stadt von Mirror´s Edge als sehr weiß wahr. Dazwischen streut sich hin und wieder ein knalliges Rot. Es wird durch die "Runner Vision" erzeugt, wodurch der Spieler recht schnell erkennt, wo er als nächstes springen, rutschen, rennen oder fallen soll. Fallen möglichst nicht zu tief, ansonsten wird der Bildschirm schwarz und der Spieler hört ein grausiges Krachen. Gesteuert wird die Protagonistin mit einem Gamepad oder - klassisch für PC-Spiele - mit Maus und Tastatur.

Das Gamepad entpuppte sich gleich als Krux. Wer kein Xbox-Steuergerät in Händen hält, schaut durch die Finger. Mirror´s Edge bietet nämlich nur Einstellungsmöglichkeiten für das Microsoft-Gerät. Nicht einmal in der Konfiguration für Tastatur lassen sich die Buttons alternativer Gamepads eingeben. Andere Spiele machen das besser.

Besonders arm dran sind Besitzer von Logitechs Rumblepad 2: Nicht nur, dass die Knopfbelegung komplett anders ist, die Y-Achse des linken Analog-Sticks ist invertiert. Sprich: will man nach vorne, rennt Faith zurück. Will man zurück, rennt Faith nach vorne. Egal, was man in den Gamepad Optionen einstellt, der Fehler bleibt. Der aktuelle Patch 1.01 von EA behebt das leider auch nicht.

Konsolenkrankheiten auf den PC importiert

Nicht nur am Gamepad-Gwirks merkt man, dass Mirror´s Edge relativ lieblos von der Konsole auf den PC portiert wurde. Auch wenn man mit Maus und Tastatur steuert, zeigt das Spiel bei der Trainingsmission immer die Gamepad-Knöpfe an. Der Spieler darf raten, welche Taste auf dem Keyboard der Aktion entspricht. Die Achievements auf der Xbox - Belohnungen für das Erreichen gewisser Spielziele - sind auch nicht integriert. Beziehungsweise auch wenn man alles schafft, gibt es kein "Zuckerl" für den Spieler.

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Aber man muss fairerweise sagen, dass EA die Steuerung für PC sehr präzise gestaltet hat. Mit einer guten Maus lassen sich knifflige Sprünge um Eckhäuser leichter bewältigen als mit der vergleichsweise trägen Gamepad-Steuerung. Geübte Ego-Shooter-Spieler werden Faith mit Leichtigkeit über alle Hindernisse hüpfen lassen.

Für Besitzer von nVidia-Karten hat EA noch zusätzliche Physx-Unterstützung eingebaut. Im Wesentlichen soll damit Glas noch detaillierter brechen. Leider bricht dadurch die Leistung erheblich ein, auf Karten mit Radeon-Chips ruckelt das Spiel nur noch ohne Effektzuwachs. Aber auch ohne Physikeffekte kommt Mirror´s Edge dank Unreal Engine 3 sehr schön auf die Bildschirme.

Wie ausgestorben

Menschen sieht man in der sauber-modernen Stadt aber so gut wie nie. Egal ob in Büros, auf Marktplätzen, in U-Bahnstationen: Alles wirkt wie ausgestorben. Gelegentlich erhält man Informationen von anderen Spielcharakteren, die meiste Zeit sieht man aber nur Polizisten aller Art.

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Mit denen sollte man sich nicht allzu oft anlegen, da Heldin Faith nach wenigen Treffern bereits ihr Leben aushaucht. Das Spiel empfiehlt, die Gegner möglichst allein und aus dem Hinterhalt auszuschalten. Dafür beherrscht Faith spezielle Entwaffnungstechniken, mit der sie die Sicherheitskräfte sofort außer Gefecht setzt und ihnen gleich die Waffe abnimmt. Ansonsten vertraut die Akrobatin nur auf Nahkampftechniken, eigene Waffen oder zusätzliche Munition gibt es nicht. Sobald ein Magazin leer ist, wird die Waffe nutzlos.

Das Problem mit dem "allein und aus dem Hinterhalt" besteht aber darin, dass die Spieldesigner netterweise mehrfach schwerst bewaffnete SWAT-Einheiten dem Spieler frontal entgegen schicken. Irgendwie verringert das nicht nur den Spielspass, sondern führt die ganze Kampftaktik ad absurdum. Besonders gegen Ende des Spiels werden die Kämpfe sehr frustrierend.

In 75 Minuten durchgespielt

Frustrierend ist auch das abrupte Ende von Mirror´s Edge. Als Spieler fragt man sich im ersten Moment, wo denn EA die zweite Hälfte versteckt hat. Weniger als zehn Stunden Spielspass sind nämlich eindeutig zuwenig. Wenn man die Kapitel im "Speed Run"-Modus in einem Sitz durchspielt, reduziert sich das Vergnügen auf 75 Minuten oder weniger - für das gesamte Spiel.

Im Abspann wurde ein dezenter Hinweis auf eine Fortsetzung versteckt. Vielleicht schafft es EA mit einem eventuellen Mirror´s Edge 2 ja, ein vollwertiges Spiel auf die Beine zu stellen und nicht nur eine etwas längere Demoversion. Das Gebotene ist wirklich zu wenig, um dafür mehr als 40 Euro zu verlangen. Dass man nach Durchspielen der Geschichte sich noch im Zeitrennen üben kann, ist zwar nett, aber es tröstet nur wenig darüber hinweg, dass hier ein unfertiges Spiel liegt.

Übrig vom sehr innovativen Konzept bleiben tolle Akrobatik und schicke Grafik, sowie ein ohrwurmträchtiger Soundtrack. Den legt EA netterweise samt einiger Remixes mit in die Verpackung hinein. Vielleicht schafft es ja das am 29. Jänner kommende Map Pack für PC, PlayStation 3 und Xbox 360, den Spielspass zu verlängern. Allerdings will EA auch dafür abkassieren - gratis gibt es nichts.

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