EU-Parlament dagegen: „ACTA ist tot“

(c) Dapd (Olaf Malzahn)
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Das vielfach kritisierte internationale Abkommen zu Internetpiraterie und Urheberrechtsverletzungen ist im Straßburger Plenum gescheitert. Das „Nein“ des Abgeordnetenhauses kam keineswegs überraschend.

Wien/Strassburg. Verzweifelt hatte EU-Handelskommissar Karel de Gucht noch vor der Abstimmung im Straßburger Plenum für eine Zustimmung zum Anti-Piraterie-Abkommen ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) geworben. Vergeblich: Die deutliche Mehrheit von 478 zu 39 Abgeordneten stimmte am gestrigen Mittwoch gegen den umstrittenen Vertrag. Damit ist ACTA „tot“, wie SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried gegenüber der „Presse“ betont hat. Das Außenhandelsabkommen unterliegt nämlich der sogenannten Ko-Gesetzgebung. Folglich müssen sowohl der Rat der EU als auch das EU-Parlament zustimmen, bevor es in Kraft treten kann.

Das „Nein“ des Abgeordnetenhauses kam keineswegs überraschend: Fünf parlamentarische Ausschüsse hatten das Abkommen bereits verworfen. Noch vor dem eigentlichen Votum im Plenum wurde ein Antrag der größten Parlamentsfraktion EVP, bis zur endgültigen Abstimmung die laufende Prüfung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) abzuwarten, abgelehnt. „Diese Frage hätte geklärt werden sollen“, zeigte sich Elisabeth Köstinger, Vizedelegationsleiterin der ÖVP-Delegation, im „Presse“-Gespräch enttäuscht.

Die EU-Kommission will nun dennoch auf das Urteil des EuGH warten und erst dann weitere Schritte erwägen. „Bei einer negativen Stellungnahme des Gerichtshofs könnte die Kommission die kritischen Punkte notfalls korrigieren und dann dem Parlament noch einmal zur Abstimmung vorlegen“, meint Köstinger. Dies sei aber eine „Sache von mehreren Jahren“, weil auch die anderen involvierten Staaten – außer den EU-Mitgliedstaaten sind das die USA, Japan, Kanada, Australien, Südkorea, Neuseeland, Singapur, Marokko, die Schweiz und Mexiko – dem neuen Vertragstext zustimmen müssten. Leichtfried dagegen sieht nach der negativen Abstimmung für eine Überprüfung durch den EuGH keinen Grund mehr. Die Kommission müsse nun einen neuen Vertragstext entwerfen. 

Die Kritik an dem Anti-Piraterie-Abkommen war in den vergangenen Monaten immer lauter geworden. Im Grunde sollte Acta weltweit den Schutz geistigen Eigentums – sowohl bei realen Gütern als auch im Internet – verbessern und Produkt- und Markenpiraterie verhindern. Betroffen wären also ebenso gefälschte Markenware aus dem Fernen Osten wie das illegale Herunterladen von Musik im Internet. Wenig überraschend zeigten sich die Musikverlage über das negative Votum des Parlaments enttäuscht.

Doch die Liste der Kritikpunkte ist lang: So fürchten Gegner, dass das Abkommen Internetserviceprovider zwingen könnte, ihre Kunden zu bespitzeln, um nicht für Urheberrechtsverletzungen haften zu müssen. Eine Datenschutzaufweichung habe „in dem Abkommen nichts verloren“, betont Leichtfried. Die Kommission hält dagegen: Es gehe nicht um die Beschneidung von Grundrechten.

„Generation unter Strafe“

Würde ein User beim illegalen Herunterladen geschützter Filme oder Musik ertappt, würden ihm durch Acta horrende Strafen drohen: Ein solches Vergehen hätte mit Inkrafttreten des Abkommens nicht wie bisher zivil-, sondern strafrechtliche Konsequenzen gehabt. „Dieses Papier wurde von Herren verhandelt, die keine Ahnung von der heutigen Lebensrealität im Internet haben“, kritisiert Leichtfried. „Sie wollten eine Generation unter Strafe stellen.“

Doch auch was den realwirtschaftlichen Bereich anbelangt, hagelte es Kritik: Das Abkommen habe nur Sinn, wenn auch Länder wie China oder Indien mitmachen, die bei Produktpiraterie federführend sind, betonen Gegner.

Unterdessen können Datenschützer auch in einem anderen Bereich aufatmen: EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström kündigte am Mittwoch an, den Anwendungsbereich der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung künftig strikt auf die Bekämpfung von Terrorismus und schwere Verbrechen zu beschränken.

Auf einen Blick

Das EU-Parlament stimmte am gestrigen Mittwoch mit großer Mehrheit gegen das Anti-Piraterie-Abkommen Acta. Damit kann Acta nicht in Kraft treten, weil es als Außenhandelsabkommen der Zustimmung des Parlaments bedarf. Die Kommission will nun das Votum des Europäischen Gerichtshofs abwarten und dann weitere Schritte erwägen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2012)

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