Internet: Angriff der lachenden Katzen

Angriff lachenden Katzen
Angriff lachenden Katzen(c) AP (Kristin Ramsdell)
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Kaum ein Phänomen hat das Internet so heftig im Griff wie Katzenbilder – in sozialen Netzwerken kann man ihnen kaum entkommen. Und mit ihnen lässt sich sogar Geld verdienen.

Sie sind überall. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendwo in der Mailbox eine von ihnen auftaucht. Kein Tag, an dem nicht irgendwo in der Timeline auf Facebook ein paar von ihnen herumstolzieren. Und kein Tag, an dem nicht irgendein schnelllebiges popkulturelles Phänomen im Web für sie adaptiert wird. Als die Welt etwa am 14. Oktober gerade erst Felix Baumgartners Sprung aus der Stratosphäre halbwegs mitbekommen hatte, tauchte auch schon die erste Animation auf, in der eine Katze aus der Kapsel sprang. Wird über die Übernahme von Lucasfilms durch den Disney-Konzern gesprochen, werden Bilder von Katzen weitergereicht, die im Stil von Star Wars mit Laserschwertern kämpfen. Und gibt es gerade keinen Anlass, findet sich sicher auch irgendein Gimmick, das sich wie ein Virus in unzähligen Mail-Accounts rund um die Welt ausbreitet. Die Katzen haben längst die Herrschaft über das Internet übernommen.

Schon eine Suchabfrage bei Google zeigt beim Begriff „Cat“ mehr als 2,46 Milliarden Einträge. Zum Vergleich, bei „Dog“ sind es gerade einmal 1,5 Milliarden. Aber Google ist in dieser Hinsicht gar nicht so der entscheidende Gradmesser – viel deutlicher zeigt sich das Phänomen im persönlichen Nutzungsverhalten im Web. Gerade auf Social-Media-Plattformen wie Twitter und Facebook muss man Hunde schon eher gezielt suchen – wenn man das möchte. Katzen hingegen tauchen ungefragt auf. Und das nicht nur in Haustierforen oder auf Hello-Kittie-Fansites, auch sonst auf Seriosität bedachte Journalisten tapezieren ihre Accounts mit Katzenbildern zu. Und wenn sogar die üblicherweise so auf minimale Emotionalität bedachte Redaktion von fm4 auf ihrer Timeline Katzenbilder postet (Kommentar: „die chefin will mehr katzenfotos auf unserer fb-seite... also bitte!“), hat das Phänomen Wellen jenseits eines „Oh-wie-süß-die-Diddlmaus“-Publikums geschlagen.


Katzen im Puppengewand. Dass Bilder von Katzen in ungewöhnlichen Posen, auf dem Fahrrad, im Kinderwagen oder in einer Schüssel auf Menschen belustigend wirken, ist dabei nicht unbedingt neu. Schon in den 1870er-Jahren inszenierte der britische Fotograf Harry Pointer für rund 200 Fotos die Tiere in menschenähnlichen Posen. Die Bilder dieser „Brighton Cats“ reicherte er mit Sprüchen an, die eine menschliche Note ins Spiel brachten – fünf Katzen vor fünf Teetassen bekam etwa den Namen „Five o'clock tea“.

Dass es mit anderen Tieren genauso lustige Ergebnisse geben kann, zeigte Harry Witthier Frees, der abseits von Katzen auch Kaninchen, Welpen und sogar Schweine in Kostüme steckte. Allein, nicht alle Tiere wirken gleich gut. So schrieb er im Vorwort zu seinem 1929 erschienenen Buch „Animal Land on the Air“: „Kätzchen sind die vielseitigsten Schauspieler und besitzen eine große Vielfalt an Attraktivitäten.“

Dass gerade Katzen in mehr oder weniger künstlichen oder lächerlichen Posen für Begeisterung sorgen, kann unter anderem daran liegen, dass sie nicht so leicht (oder auch gar nicht) zu trainieren sind. Einem Hund kann man beibringen, die Pfote zu geben, einen Salto zu schlagen, vielleicht sogar auf dem Fahrrad zu fahren. Bilder wie diese kennt man aus dem Zirkus, als dort noch Tiere zum Programm gehörten, und vielleicht sogar aus dem eigenen Alltag in Parks oder auf Wiesen.

Dass Katzen solche Dinge tun, ist eher unwahrscheinlich. Und umso größer mag die Attraktion sein, wenn eine Katze plötzlich genau solche Dinge macht, die wie antrainiert wirken. Oder die ihr sogar so etwas wie ein menschliches Antlitz geben. Genau hier schlägt die Stunde von YouTube & Co., wenn solche kleinen Wunder zufällig mit der Kamera eingefangen wurden und nun über das Internet weltweit verbreitet werden.

Klar ist, dass ein solches Phänomen auch kommerziell nutzbar gemacht wird. Bekanntestes Beispiel ist icanhascheezburger.com. Im Jänner 2007 als Blog gestartet, auf dem Katzenbilder zu sehen waren, die mit lustigen Sprüchen in schlechtem Englisch angereichert waren, wurde die Website noch im selben Jahr um 2,25 Millionen Dollar verkauft.

Im Jänner 2011 konnte das Unternehmen bei einer Finanzierungsrunde sogar 30 Millionen Dollar einsammeln. Zu diesem Zeitpunkt luden bereits 16,5 Millionen Besucher pro Monat rund 500.000 Bilder und Videos in das Netzwerk hoch. Ein durchaus massentaugliches Phänomen, wie es scheint. Genau diese LolCats – so lautet der offizielle Begriff – tragen heute einen großen Teil zum persönlichen Datenaufkommen unzähliger Internetuser bei.

Das Internet wäre sinnlos.
Kein Wunder also, dass sich bei vielen von ihnen zunehmend das Bild verfestigt, dass die Katzen die Macht über das Web übernommen haben. Und wir ihnen wehrlos ausgeliefert sind. Doch selbst umzingelt von Katzen, die scheinbar auf einem unsichtbaren Einrad fahren, von Tieren in Star-Wars-Kostümen und sogar von Katzen mit Hitlerbart – die Anhänger dieses seltsamen Kults würden weiter ihr Credo postulieren: Ein Internet ohne Katzen wäre zwar möglich, aber es wäre sinnlos und leer.

Katzen im Internet

Katzen mit witzigen Sprüchen
www.lolcats.com

Katzen mit Bart und Scheitel
www.catsthatlooklikehitler.com

Katzen schauen Katzen an
www.infinitecat.com

Katzen, die in Waschbecken sitzen
www.catsinsinks.com

Mit diesem Tool lässt sich jede Website im Katzenlook darstellen
www.meowbify.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2012)

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