Honig und Speck aus dem Internet

Honig Speck Internet
Honig Speck Internet(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka - wodicka@aon.at)
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Bodenständiger geht's kaum, denkt man. Dennoch ist jetzt auch der Bauernmarkt online. Patricia Sedlar verkauft Honig, Fleisch, Kekse und Alkohol frisch vom Hof im Netz.

Es gibt da diese Regel, und die hat bis heute ihre Gültigkeit nicht verloren. Wer heimische Qualitätsprodukte, frisches Brot, Mehlspeisen, Kekse, Schnäpse und Liköre will, der pilgert am Wochenende auf den Bauernmarkt. Mit etwas Glück hat man bald einen Standler seines Vertrauens, der verkauft einem frische Kekse, empfiehlt den Marillenlikör und schickt einen – wenn man regelmäßig wiederkommt – auch mit einem Augenzwinkern weiter zum nächsten Bauern, der eben den Räucherspeck ankarrt. Kleiner Geheimtipp. So weit, so praktisch.

In der Praxis sieht das freilich etwas anders aus. Erstens sind die Wege zum Bauernmarkt meist lang; zweitens zwinkern einem die Standler eher selten zu; und drittens sind die Öffnungszeiten auch nicht immer das, was man ein kundenfreundlich nennt. Bauernmärkte öffnen meist um sechs Uhr in der Früh. Und am Wochenende räumen die Standler ihre Ware weg, wenn so mancher gerade erst aus dem Bett steigt.

Raritäten aus dem Netz. Nun gibt es so etwas wie eine Alternative. Auf der Plattform Bauernmarkt24.at bietet Patricia Sedlar seit September Produkte von heimischen Landwirten an. Auf der in Weiß und Grün idyllisch-ländlich gestalteten Homepage reihen sich Bilder von Honigsenf, Wildrohschinken, Hirsch-Cabanossi an Fotos von Dinkelnudeln und Weichselschnaps. Nur ein paar Mausklicks und die Sachen werden einem direkt vor die Haustür gebracht. Denn Bauernmarkt24.at ist einer der wenigen österreichischen Online-Bauernmärkte.

„Ich habe immer wieder im privaten Umfeld Produkte frisch von Bauernhöfen bekommen“, sagt Sedlar, 35 Jahre alt und in St. Florian in Oberösterreich zu Hause. Dabei sei ihr einmal mehr die unterschiedliche Qualität aufgefallen. „Beim Bauern haben Eier eine ganz andere Farbe, außerdem duftet alles viel besser“, sagt Sedlar. Weil es sie geärgert hat, dass lokale und regionale Schmankerln zwar von vielen Landwirten produziert werden, dann aber nicht den Weg in die Geschäfte finden, begann sie, an ihrer Plattform zu arbeiten. „Nicht jeder Bauer fährt mit seinen Sachen zum Markt“, sagt sie. „Heutzutage ist es ja leichter ein Chutney zu bekommen als Kübelspeck oder Graukäse.“

Mit ihrem Online-Bauernmarkt will Patricia Sedlar nun dieser Entwicklung entgegensteuern. Rund 200 Produkte bietet sie in Kategorien wie „Gebäck“, „Süßes“, „Fleischprodukte“ und „Alkoholisches“ an. Nicht alles davon ist bio, vieles davon aber prämiert.

Die Bauernhöfe hat sie alle vorher besucht – „und bewusst keine Überzeugungsarbeit geleistet“. So ein Online-Bauernmarkt basiert in erster Linie auf Vertrauen, sagt sie. Im Detail sieht es so aus, dass Kunden ihre Waren zwar auf der Plattform bestellen können, diese dann aber direkt vom Bauernhof geschickt bekommen. Die Bauern (die übrigens alle einen virtuellen Marktstand im Netz haben) können das Päckchen selbst gestalten, viele geben Heu und Stroh als Füllmaterial hinein, um das Gefühl eines echten Bauernmarkts noch zu verstärken.

Eine Mindestbestellgrenze gibt es nicht, wenn aber unter 20 Euro eingekauft wird, dann verrechnet Sedlar eine Mindermengenzuschlag von 2,50 Euro. Die Versandkosten sind in der Regel in den Preisangaben inbegriffen. Die Pakete werden per Post geliefert, was im Schnitt ein bis zwei Tage dauert. Frisches Fleisch etwa, das auch über den Online-Bauernhof bezogen werden kann, wird vakuumverpackt und in eigens dafür entwickelten Isolierboxen per EMS gesendet.

Fotos machen Gusto. Damit sich die Leute orientieren können, setzt Sedlar auf möglichst viele Fotos. „Der Tast- und Geruchssinn fällt im Internet ja weg“, erklärt sie. Also konzentriert sie sich auf den Sehsinn. Da wird der Honig auf das Brot geschmiert, damit man die Konsistenz besser einschätzen kann, und das Fleisch aufgeschnitten fotografiert.

Zusätzlich erklärt der „Küchenchef“ wie einzelne Produkte schmecken. Und das Angebot wird laut Sedlar auch gern angenommen. Vor allem Städter, der Großteil davon aus Wien, würden sich für den Online-Bauernmarkt interessieren. Besonders gut verkaufen sich selbst gemachte Spirituosen, Honig und Kekse. So kurz vor Weihnachten wird das Sortiment auf Geschenkboxen ausgeweitet.

Freilich, noch hat Sedlar (so wie auch andere in der Branche, siehe unten) mit Vorurteilen zu kämpfen. „Es ist hierzulande einfach noch nicht zur Gewohnheit geworden, Lebensmittel im Internet kaufen“, sagt sie. Im Durchschnitt müssen die Leute mehrere Male ihre Seite besuchen, bis sie etwas bestellen. Haben sie es aber einmal getan, tun sie es immer wieder.

Sedlar hofft aber, dass diese geistigen Barrieren bald fallen werden. Vielleicht in Relation zur Anzahl der Produkte, die sie noch anbieten will. Einzig frisches Obst und Gemüse findet man nicht auf ihrer Homepage. „Es gibt da wenig, was sich verschicken lässt. Außerdem fällt das mehr in die Kategorie Frischekistl“, sagt sie. Über entsprechende Kooperationen hätte sie aber schon nachgedacht. Es gibt da wohl eine Regel, die bis heute ihre Gültigkeit hat. Wer frisches Obst und Gemüse will, der steht am Wochenende auf und pilgert auf den Bauernmarkt. Den Rest gibt's auch im Internet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2012)

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