Cloud-Daten: USA sichern sich Zugriff

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Die USA räumen ihren Geheimdiensten im Kampf gegen den Terror weitgehende Rechte ein: Sie dürfen auf alle Daten zugreifen, die Europäer im Internet speichern.

Wien/Washington/Rie. Es war ein wenig beachteter Akt mit weitreichenden Folgen für Europa: Rund um den Jahreswechsel setzte US-Präsident Barack Obama seine Unterschrift unter die Verlängerung des „Foreign Intelligence Surveillance Act“ (FISA). Der erlaubt es US-Geheimdiensten nun offiziell, alle Daten von Nicht-US-Bürgern, die in Internet-Datenbanken gespeichert sind – etwa bei Facebook, Google, Microsoft – auszuwerten. Ohne richterliche Genehmigung und ohne die Inhaber der Daten oder der Datenbanken informieren zu müssen.

FISA machte in Zusammenspiel mit dem „Patriot Act“ schon bisher die massenhafte Überwachung von ausländischer Kommunikation möglich. Das betrifft alle Telefonate, E-Mails und Faxe von Nicht-US-Staatsbürgern. US-Geheimdienste (vornehmlich die National Security Agency, NSA) hätten im Namen des Kampfs gegen den Terror auch Zugriff auf Daten von Cloud-Anbietern, wie Microsoft-Manager Gordon Frazer im Sommer 2011 bestätigte. Doch dabei ging es um ganz gezielte Anfragen, also beispielsweise um Daten, die ein Herr XY etwa in Microsofts Cloud gespeichert hat.

Ein Zusatz in FISA (FISAAA 1881a) gibt den Geheimdiensten nun viel weitergehende Möglichkeiten. Sie können alle Cloud-Daten unabhängig von Personen durchsuchen, beispielsweise nach bestimmten Stichwörtern. Und das nicht nur bei Daten, die auf Servern in den USA liegen. „Alle Daten, auch wenn sie in Europa verarbeitet wurden, fallen darunter, sobald sie in der Cloud gespeichert werden“, heißt es in einem EU-Bericht zur Internetsicherheit („Fighting Cyber Crime and Protecting Privacy in the Cloud“), der diese Woche veröffentlicht wurde.

Wie weit die Befugnisse der amerikanischen Geheimdienste gehen, war in der EU offenbar nicht bekannt. „Es scheint, dass weder die EU-Kommission noch das EU-Parlament oder nationale Datenschützer bis Mitte 2011 irgendeine Kenntnis von FISAAA 1881a hatten“, schreiben die Autoren. Alles habe sich auf den Patriot Act konzentriert und dabei die Änderungen im Zusatz zu 1881 übersehen, den die Autoren als „großkalibrige Massenüberwachung der Cloud“ bezeichnen.

Keine Rechte für EU-Bürger

Die Autoren des „Centre D'Etudes Sur Les Conflits“ und des „Centre for European Policy Studies“ warnen vor den „schwerwiegenden Auswirkungen auf EU-Grundrechte“. Die US-Möglichkeiten, auf Daten europäischer Bürger zuzugreifen, ohne die Betroffenen darüber informieren zu müssen, stünden in keinem Verhältnis zu Maßnahmen, die von EU-Politikern diskutiert würden.

Die USA unterscheiden in ihrer Rechtsansicht strikt zwischen den Rechten von Staatsangehörigen und Nicht-Staatsangehörigen. Zwar müssen Geheimdienste oder Polizei auch US-Bürger nicht über Terrorermittlungen informieren und können geheime Hausdurchsuchungen durchführen. Irgendwann muss aber ein Gericht eingeschaltet werden. Für Nicht-US-Staatsbürger gelten nach Ansicht der Regierung dagegen die Verfassungszusätze, die unter anderem geheime Ermittlungen verbieten, nicht.

In der Studie, die im Auftrag des Ausschusses für Bürgerrecht, Justiz und Inneres erstellt wurde, empfiehlt man der EU, die Bürger über den mangelnden Schutz ihrer Internetdaten öffentlich zu informieren. Zudem solle die Kommission darauf drängen, dass EU-Bürger rechtlich US-Bürgern gleichgestellt werden.

Schon vor Jahren enthüllte ein EU-Bericht die Abhör- und Überwachungsmöglichkeiten, die die US-Geheimdienste in Europa haben (A5-0264/2001). Das System „Echelon“ werde „zur Überwachung von privater und wirtschaftlicher Kommunikation“ in Europa eingesetzt, so die Conclusio.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2013)

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