Microsoft sucht einen neuen Bill Gates

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Der einstige Softwaregigant Microsoft erfindet sich neu. Für Langzeitchef Steve Ballmer ist da offenbar kein Platz mehr. Er räumt seinen Sessel und hinterlässt einen reichen Konzern mit düsterer Zukunft.

Wien. Was macht der beliebte Tollpatsch Charlie Brown an der Spitze eines Weltkonzerns? Wahrscheinlich keine sehr glückliche Figur. Es war wohl dieses Bild, das die Investment-Legende David Einhorn suggerieren wollte, als er Steve Ballmer im Jahr 2011 vorwarf, den weltgrößten Softwarekonzern Microsoft „wie Charlie Brown“ zu führen. Zum Wohl des Unternehmens solle Firmengründer Bill Gates seinen alten Pokerfreund schleunigst loswerden, forderte Einhorn damals. Gates dachte nicht daran.
Doch mit zwei Jahren Verspätung wird der Wunsch doch noch erhört: Nach fast 13 Jahren an der Spitze des Konzerns wird Steve Ballmer Microsoft verlassen, teilte das Unternehmen in Redmond mit. Zwölf Monate noch wird der bullige Boss Gelegenheit haben, bei Präsentationen wie ein wild gewordener Gorilla herumzuhüpfen, um Analysten und Konsumenten zu beweisen, dass Microsoft noch so innovativ ist wie eh und je. Doch so sehr sich die Verkaufsmaschine Ballmer mit vollem Körpereinsatz ins Zeug gelegt hat, beim Versuch, den Abstieg des einst so mächtigen Giganten zu stoppen, hat er schlichtweg versagt.

„Versagen“ auf hohem Niveau

Wobei „Versagen“ bei Microsoft nicht unbedingt das ist, was man sich landläufig darunter vorstellt. Auch nach 13 Jahren unter Ballmer ist das amerikanische Softwareunternehmen immer noch eine Gelddruckmaschine. In seiner Ära hat sich der Umsatz von 25,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2001 auf 73,7 Milliarden im Jahr 2012 beinahe verdreifacht. Immer noch läuft das hauseigene Betriebssystem Windows auf mehr als 90 Prozent aller Computer weltweit. 76 Millionen Stück wurden in den ersten drei Monaten des Jahres ausgeliefert. Doch das ist nicht mehr als die späte Ernte einer Saat, die sein Vorgänger Gates gestreut hat.
Die Börse schreibt die andere Geschichte: Seit er im Jänner 2000 die Führung von seinem früheren Studienkollegen übernommen hat, haben die Anleger mit Microsoft ein Viertel ihres Geldes verloren (siehe Chart). Ein Teil davon ist zwar sicher auf das Platzen der Dotcom-Blase zurückzuführen. Doch entscheidender ist: Ballmer schaffte es nie, die Dominanz von Microsofts Windows bei Computern auf andere Geräte umzulegen.

Erst kein Bonus, dann kein Job

Da die Nachfrage nach klassischen Computern aber stetig zurückgeht, sind das nicht gerade glänzende Aussichten für die kommenden Jahre. Den Umstieg auf Smartphones und Tablets hat Microsoft unter Ballmer komplett verschlafen. Als Microsoft endlich das erste taugliche mobile Betriebssystem auf den Markt brachte, war das Fell dort schon verteilt. Windows hält heute bei weniger als fünf Prozent des globalen Smartphone-Markts, den Google (70 Prozent) und Apple (20 Prozent) währenddessen gut untereinander aufgeteilt haben.
Alle Versuche des 57-jährigen Ballmer gegenzusteuern, blieben bisher ohne Erfolg. Um Apples iPhone etwas entgegenzusetzen, verbündete er sich mit dem finnischen Nokia-Konzern, dessen Stern allerdings unaufhaltsam sank. Noch heute verdient der Konzern sein Geld vor allem mit dem Windows-Betriebssystem.
Die Kritik ist auch dem Verwaltungsrat nicht ganz neu. Und es gab durchaus Konsequenzen: Ballmer ging es nicht besser als den übrigen Microsoft-Mitarbeitern, die beim jährlichen Ranking unter den Schlechtesten gereiht werden: Er verlor wiederholt seinen Bonus – und letztlich auch den Job.
Offen bleibt die Frage, warum Ballmer gerade jetzt geht. Sechs Wochen nachdem er selbst noch den größten Umbau  – den Umbau vom Softwarehaus hin zu einem Gerätehersteller –  des 99.000-Mitarbeiter starken Unternehmens angekündigt hatte?
Sein Abschiedsbrief an die Mitarbeiter gibt nur bedingt Aufschluss: „Es gibt keinen perfekten Zeitpunkt für diese Art von Veränderung, aber dieser Zeitpunkt ist der richtige“, schreibt er. Zumindest die Anleger teilen seine Meinung, ja für sie hätte es sogar durchaus ein wenig früher so weit sein können: Die Microsoft-Aktien legten vorbörslich um knapp neun Prozent zu.

Bill Gates sucht Nachfolger selbst

Es war bekannt, dass Steve Ballmer das Unternehmen spätestens dann verlassen wollte, wenn sein ältestes Kind im Jahr 2017 die Schule absolvieren würde. Dass es nun doch vier Jahre früher so weit ist, ist kein Zeichen für große Souveränität beim Softwarekonzern. Dass nach 13 Jahren Vorlaufzeit noch kein passender Nachfolger präsentiert wurde, ebenso wenig.
Nun will Bill Gates persönlich den erst dritten Chef in der 38-jährigen Geschichte seines Unternehmens suchen. Kandidaten innerhalb und außerhalb des Konzerns bringen sich bereits in Stellung. Das Erbe, das Ballmer dem oder der Auserwählten hinterlässt, ist schwer. Die längst überfällige Reorganisation des schwerfälligen Kolosses ist zwar angesprochen, aber noch lange nicht vollzogen. Der Abstand zu Google und Apple nimmt eher zu als ab. Und auch die bisherigen Erfolge als Gerätebauer lassen sich an weniger als einer Hand abzählen. Bleibt nicht viel mehr als zu hoffen, dass es für den Sprung zurück zu einem innovativen Unternehmen bei Microsoft nicht schon zu spät ist.

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