„Russisches Facebook“ im Staatsvisier

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Pavel Durov, der Chef von V-Kontakte, wird vom Geheimdienst bedrängt. Er sollte Daten von Organisatoren der Massenproteste in der Ukraine offenlegen.

Wien. Es ist nicht zum ersten Mal, dass Pavel Durov das Handtuch wirft. Schon am 1.April hatte der 29-Jährige erklärt, den Chefposten des von ihm gegründeten sozialen Netzwerkes V-Kontakte (auf Deutsch: „In Kontakt“) – das größte in Osteuropa – zu verlassen. Was er kurz später als Aprilscherz ausgab, scheint nun doch wahr zu werden. Mit Montag sei er abgedankt, schrieb er auf seiner Profilseite. Das Rücktrittsschreiben nämlich, das er am 21.März eingereicht hatte, habe nach einem Monat Gültigkeit erlangt. Großaktionär United Capital Partners (UCP) dagegen behauptet in einem eiligen Statement, darüber werde erst im Aufsichtsrat entschieden.

Es ist nicht das einzige undurchsichtige Manöver, das das Unternehmen, das bei seiner Gründung 2006 Facebook abgekupfert hat und eigenen Angaben zufolge 60 Millionen an täglichen Besuchern zählt, überschattet. Einen großen Schatten wirft auch der russische Geheimdienst FSB. Wie Durov behauptet, habe der Geheimdienst Ende 2013 starken Druck ausgeübt, damit Durov die persönlichen Daten von Organisatoren der Massenproteste in der Ukraine offenlege. Weil er das verweigerte, habe er seine zwölf Prozent Anteile, die er noch hielt, im Jänner verkaufen müssen. Operativ blieb er bis zuletzt tätig.

FSB und Aktionärsstreit

Die Information über geheimdienstlichen Druck ist unbestätigt, aber denkbar. Durov war schon mehrfach unter Beschuss. Zum ersten Mal Ende 2011, als Massenproteste in Russland stattfanden. Als landesweit größtes Netzwerk – Facebook liegt nach weiteren zwei russischen Netzwerken nur auf Platz vier – leistete V-Kontakte schon per definitionem einen organisatorischen Beitrag. Durov wurde vom FSB aufgefordert, Benutzergruppen zu blockieren, und vom Staatsanwalt vorgeladen. Die Renitenz gegenüber Behörden erklärte er nicht mit politischer Überzeugung, sondern mit der Wahrung von Geschäftsinteressen.

Der Konflikt mit den Behörden ist das eine. Der zwischen den Aktionären das andere. Längst tobt ein Streit um die Kontrolle über das Netzwerk, dessen Erfolg auch darin gründet, dass der Umgang mit Urheberrechten für Musik und Videos äußerst nachlässig ist. Vor allem UCP, die nun 48Prozent besitzen, machen kein Hehl daraus, dass sie mit Durov keine Freude haben, weil dieser ein paralleles Internetprojekt verfolge.

Die Mehrheit von 52Prozent an V-Kontakte liegt freilich bei der börsenotierten russischen Internetholding Mail.ru-Group, die zum Geschäftsimperium von Alischer Usmanov, dem laut Forbes reichsten Russen, gehört.

V-Kontakte gehe „in die völlige Kontrolle von Igor Setschin (Chef des Ölkonzerns Rosneft und engster Wegbegleiter Wladimir Putins) und Alischer Usmanov über“, schrieb Durov am Montag, ohne den Konnex zu Setschin näher zu erläutern: „Wahrscheinlich war unter den russischen Verhältnissen etwas Derartiges unausweichlich.“

Aus Usmanovs Umgebung kam das Angebot an Durov, „Chefarchitekt des Netzes“ zu werden. (est)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2014)

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