Neue Verwalter für das Internet gesucht

A visitor places her hands on a tangible earth, a digital globe, at an exhibition pavillion in Rusutsu town, northern Japan
A visitor places her hands on a tangible earth, a digital globe, at an exhibition pavillion in Rusutsu town, northern Japan(c) REUTERS (� Yuriko Nakao / Reuters)
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Die USA geben Aufsicht über die Internetverwaltung ICANN schrittweise ab. In Brasilien wird diese Woche die Zukunft des Internets diskutiert.

Die Verwalter des Internets stehen vor einer gewaltigen Herausforderung. Die Snowden-Enthüllungen über die Datenspionage der USA haben das Vertrauen in digitale Dienste erschüttert. Das wissen auch diejenigen, die den Verkehr im Internet regeln. Sie treffen sich diese Woche in Brasilien, um über die Regeln im Internet zu beraten. Eine zentrale Frage: Welche Rolle sollen die USA in Zukunft spielen?

Darum dürfte es bei der zweitägigen "Net Mundial"-Konferenz heftige Diskussionen geben. Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff hatte das Treffen aus Ärger über die Spionageprogramme der NSA einberufen. Dort soll eine Art Manifest über die "Prinzipien der Internetaufsicht" verabschiedet werden. "Die Rechte, die die Menschen offline haben, müssen auch online geschützt werden", heißt es in einem Entwurf, der im Web veröffentlicht wurde. Dazu gehöre das Recht auf Privatsphäre. "Beliebige oder rechtswidrige Sammlung persönlicher Daten und Überwachung" soll vermieden werden. Den Menschen stehe ein gesetzlicher Schutz gegen solche Überwachung zu.

Wie werden Verstöße geahndet?

Noch lässt sich schwer sagen, welche Wirkung solche Vorgaben entfalten würden. "Es ist eine Absichtserklärung", sagte der deutsche Netzpolitiker Jimmy Schulz, der zu der Konferenz reist. Wie Verstöße gegen die Prinzipien geahndet werden könnten, ist unklar.

Dazu drängt eine technische Frage auf die Tagesordnung. Die USA haben angekündigt, dass sie eine wichtige Aufsichtsfunktion im Netz abgeben wollen. Noch ist offen, wer diese Rolle künftig übernehmen wird.

USA geben Kontrolle bis Herbst 2015 auf

Es geht dabei um die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers, kurz ICANN. Diese Non-Profit-Organisation verwaltet die Domain-Endungen im Web, von .at und .com bis hin zu neuen Endungen wie .jetzt oder .kaufen. Sie stand seit der Gründung 1998 unter der Schirmherrschaft des US-Handelsministeriums. Wegen dieser Abhängigkeit durfte die ICANN auch nicht eigenmächtig gravierende Änderungen an den Top-Level-Domains vornehmen, sondern musste die US-Telekommunikationsbehörde NTIA um eine Freigabe bitten. Mitte März kündigte die US-Regierung an, dass sie diese Rolle bis Herbst 2015 aufgeben werde.

Die bisherige US-Dominanz war vielen Internet-Nationen schon länger ein Dorn im Auge. Doch ein Vorstoß Russlands und Chinas für stärkeren staatlichen Einfluss erschien vor allem der Internet-Wirtschaft als noch schlechtere Alternative und wurde 2012 abgewehrt. Nach den Snowden-Enthüllungen forderte jüngst aber auch die EU-Kommission eine Neuordnung der ICANN-Aufsicht. Die US-Regierung betonte jetzt, es sei von Beginn an geplant gewesen, dass ihre Aufseherrolle zeitlich befristet sein werde.

Organisationen könnten übernehmen

In Brasilien soll nun darüber nachgedacht werden, wer künftig die Internet-Verwaltung beaufsichtigt. "Wie stellt man sicher, dass die ICANN sich an ihre eigenen Regeln hält?" fragte die Wissenschaftlerin Jeanette Hofmann kürzlich bei einer Diskussionsrunde in Berlin. Mehrere Wege seien denkbar: Entweder die Organisation beaufsichtigt sich sozusagen selbst. Oder eine Gruppe anderer Organisationen übernimmt diesen Job, sagte Hofmann. Auch bei der ICANN stellt man sich auf einen langen Prozess ein. "Es ist kompliziert, so viele verschiedene Positionen zusammenzubringen", sagt der europäische ICANN-Vertreter Nigel Hickson.

Möglich ist auch, dass die versammelten Staaten, Unternehmen und Aktivisten keine inhaltlichen Vorgaben machen. Sie könnten sich lediglich auf einen Fahrplan für die nächsten Entscheidungen festlegen. "Das sind dicke Bretter, die wir bohren", sagte der Beauftragte für Cyber-Außenpolitik im Auswärtigen Amt, Dirk Brengelmann. Die Konferenz sei nur der Auftakt für eine weitergehende Debatte.

46 Staaten mischen mit - auch Österreich

Wie es auf der "Net mundial"-Homepage heißt, nehmen zwölf Staaten an der Konferenz teil, darunter die USA, Deutschland und China. Mit schriftlichen Beiträgen haben sich jedoch zahlreiche weitere Staaten und NGO-Vertreter im Vorfeld der Konferenz an der Debatte beteiligt. Insgesamt langten 188 Beiträge aus 46 Staaten ein, darunter auch einer aus dem österreichischen Verkehrsministerium.

In dem Dokument bedankt sich Österreich bei Brasilien für die Organisation der Konferenz und spricht sich dafür aus, auf den zahlreichen das Internet betreffenden Dokumenten von UNO, UNO-Menschenrechtsrat, OECD und Europarat aufzubauen. "Das gemeinsame, offene, freie und globale Internet ist essenziell für jedermann", betont das Verkehrsministerium. Dabei müsse auf die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Respekt für den Rechtsstaat und die Grundbedingungen der Cybersicherheit geachtet werden, "um das soziale und wirtschaftliche Potenzial des Internets für Innovation, Wachstum und die Entwicklung der menschlichen Potenziale in einer demokratischen Gesellschaft zu wahren".

(APA/dpa)

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