Aufregung um Google-Spion „Chrome“

(c) Reuters (Kimberly White)
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Der neue Browser ist zwar schnell, aber noch unsicher und gierig nach Daten.

Mountain View(mac). Vor wenigen Tagen hat „Chrome“, der erste Internetbrowser von Google, sein vielbeachtetes Debüt gefeiert. Seitdem wurde das Programm nach Brancheninformationen bereits mehrere Millionen Mal heruntergeladen. Die ersten Erfahrungsberichte zeichnen ein zwiespältiges Bild der neuen Software. Obwohl „Chrome“ das Surfen im Internet einfacher und schneller machen dürfte, reagieren vor allem Datenschützer alarmiert.

Sie stoßen sich etwa an der „Chrome Omnibox“, dem einzigen Eingabefeld im neuen Browser. Hier werden sowohl Internet-Adressen als auch Google-Suchen eingetippt. Das Problem: Lässt man die Standardeinstellungen unverändert, liest Google jeden Buchstaben, den der Nutzer eingibt mit und speichert ihn. Mehr noch: „Chrome“ weist jedem Browser eine eindeutige Identifikationsnummer zu, die gemeinsam mit anderen Daten an Google geschickt wird. „Die eindeutige Browser-Kennung hat im Internet dieselbe Wirkung, wie die Sozialversicherungsnummer im realen Leben“, heißt es in einer Stellungnahme des Datenschutzvereins Arge Daten. Diese Kennung kann, anders als etwa Cookies oder die IP-Adresse, auch von keinem Benutzer abgeschüttelt werden. Die Nutzer blieben demnach lebenslang identifiziert. Damit werde Google seinem Ruf als „Daten-Krake“ wieder einmal mehr als gerecht, so die einhellige Meinung der Experten. Das Unternehmen steht ja in Verdacht, bereits über die weltweit größte Datensammlung zu verfügen.

Google rudert zurück

Google rechtfertigt sich damit, dass kein Nutzer beim Download des Dienstes gezwungen werde, persönliche Daten einzugeben. Doch das Unternehmen ist bereits auf dem Rückzug. Ursprünglich sahen die US-Nutzungsbestimmungen vor, dass der Konzern alle Rechte an den Eingaben der Nutzer behalten würde. Diese Passage wurde mittlerweile entschärft, die Rechte bleiben bei den Nutzern.

Experten warnen dennoch davor, den jungen Internetbrowser bereits für private Zwecke einzusetzen. Denn noch scheint „Chrome“ in den Kinderschuhen zu stecken. So entdeckte ein israelischer Sicherheitsexperte nach nur wenigen Tagen die erste Sicherheitslücke im Google-Browser, über die sich Trojaner und Viren einschleichen können.

Attacke auf dem Softwaremarkt

Mit seinem Einstieg in den Browsermarkt sägt Google gleich an zwei Standbeinen des Konkurrenten Microsoft. Noch steht Microsofts Internet Explorer mit gut zwei Dritteln Marktanteil klar an der Spitze des Feldes. Doch mit Googles Markenbekanntheit könnte „Chrome“ in nur zwei Jahren bis zu 15 bis 20 Prozent des US-amerikanischen Browsermarktes vereinnahmen, erwartet Doug Anmuth, Analyst von Lehman Brothers, laut einem Bericht des „Wall Street Journal“.

Damit öffnet sich der Internetkonzern auch die Tür zum Softwaremarkt der Zukunft. Denn das Geschäft mit Büroanwendungen werde sich schon bald ins Internet verlagern, erwarten Experten. Die Programme werden dann nicht mehr einzeln auf den Endgeräten zu Hause, sondern zentral auf großen Servern gespeichert sein.

Google bietet seit Längerem derartige Online-Anwendungen an, die mit dem bekannten Office-Paket von Microsoft vergleichbar sind. Microsoft ist jedoch stark vom Verkauf dieser Softwarepakete abhängig. 2008 machte der Konzern 31,3 Prozent seines Umsatzes mit Office-Paketen und Geschäftssoftware. Das Internetgeschäft sorgte nur für 5,3 Prozent der Einnahmen. Ganz anders die Einnahmenstruktur bei Google: Die „Suchmaschine“ finanziert sich über Werbung im Internet. Ihr Hauptaugenmerk liegt also darauf, möglichst viele Nutzer möglichst lange auf Google-Seiten zu halten. Als Suchmaschine, Browser oder Software-Anbieter.

auf einen blick

Googles neuer Internetbrowser „Chrome“ steht im Kreuzfeuer der Kritik der Datenschützer.

So weist „Chrome“ etwa jedem Browser eine Identifikations-Nummer zu, mit der alle Nutzereingaben verknüpft werden.

Google rudert bereits zurück und hat die Nutzungsbestimmungen leicht entschärft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2008)

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