EU: Neues Ungemach für Google

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Günther Oettinger, der designierte Kommissar für die Digitale Wirtschaft, plant ein einheitliches EU-Urheberrecht - samt Abgabe auf geistiges Eigentum.

Brüssel. Geht es nach Günther Oettinger, dann hat Google schon demnächst ein neues Problem am Hals. Oettinger, bisher in der EU-Kommission für die Energiethemen zuständig, übernimmt am 1.November das Ressort Digitale Wirtschaft und Gesellschaft. Und in dieser Funktion will er ein Projekt vorantreiben, das das Geschäftsmodell des US-Internetkonzerns nachhaltig beschädigen könnte: ein einheitliches europäisches Urheberrecht samt einer Abgabe auf geistiges Eigentum. „Wenn Google intellektuelle Werte aus der EU bezieht und damit arbeitet, dann kann die EU diese Werte schützen und von Google eine Abgabe dafür verlangen“, sagte der deutsche Kommissar in einem Interview mit dem „Handelsblatt“.

Bis dahin ist der Weg allerdings noch weit, denn innerhalb der EU gibt es eine Vielzahl von Regelungen für das Urheberrecht und die Art und Weise, in der geistiges Eigentum honoriert wird. In Österreich beispielsweise werden Musikmacher von der Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (AKM) vertreten, während sich die Literar-Mechana um Schriftsteller und Drehbuchautoren kümmert, in ihrem Namen Gebühren kassiert und an ihre Mitglieder verteilt – die analogen Verwertungsgesellschaften in Deutschland heißen GEMA und VG Wort. Geht es nach den Vorstellungen des neuen EU-Kommissionspräsidenten, Jean-Claude Juncker, soll dieses fragmentierte Ökosystem harmonisiert werden. Juncker hat die Schaffung eines digitalen Binnenmarkts zu einer seiner Prioritäten erklärt – der Este Andrus Ansip wird sich ab 1.November als Vizepräsident der Kommission darum kümmern, dass es dazu kommt. In dieser Funktion wird er mit Oettinger zusammenarbeiten.

„Grobe Vorstellungen und Ideen“

Wie gut diese Zusammenarbeit funktionieren wird, ist noch nicht klar, denn die neue organisatorische Struktur der Kommission sieht vor, dass Oettinger als „einfacher“ Kommissar seine Gesetzesvorschläge Ansip zur Begutachtung vorlegen muss, bevor sie vom Kolleg der Brüsseler Behörde beraten (und beschlossen) werden. Gegenüber der „Presse“ stellte Oettingers Sprecherin Marlene Holzner am gestrigen Dienstag klar, dass es sich bei den im „Handelsblatt“ zitierten Ausführungen um „grobe Vorstellungen und Ideen“ des Kommissars handelt, die erst nach Amtsantritt im Detail formuliert, schriftlich niedergelegt und mit Ansip akkordiert werden müssten. Oettinger selbst sagte, dass er „mindestens noch das ganze nächste Jahr“ benötigen werde, um eine Balance „zwischen den Interessen der Nutzer und der Eigentümer“ der Inhalte im Internet zu finden. Als Erstes gelte es zu definieren, was geistiges Eigentum überhaupt sei. Einen konkreten Vorschlag dürfte es also nicht vor 2016 geben.

Dass Oettinger ausgerechnet dem „Handelsblatt“ von seinen Absichten erzählt, kommt nicht von ungefähr – in Deutschland grassiert nämlich seit einiger Zeit die Angst vor Google und Co. Der US-Konzern wolle ein neues Monopol errichten, warnte Mathias Döpfner, der Chef des Verlagshauses Axel Springer, Ende September. Google und die deutschen Verlage streiten um das sogenannte Leistungsschutzrecht, das die Darstellung von Pressetexten in den Ergebnislisten von Suchmaschinen einschränkt. Hinzu kommt, dass die deutsche Öffentlichkeit spätestens seit der NSA-Abhöraffäre allen US-Internetkonzernen skeptisch gegenübersteht.

Für Google wäre ein europäisches Urheberrecht – sofern es überhaupt eines Tages das Licht der Welt erblickt – die bereits vierte Baustelle in Europa. In Brüssel prüft die EU-Kommission derzeit, ob die US-Suchmaschine ihre Marktmacht missbraucht – es geht um Vorwürfe, wonach Google konkurrierende Online-Angebote mittels seiner Suchfunktion benachteiligt und eigene Produkte bevorzugt. Ab der kommenden Woche wird Margrethe Vestager als Wettbewerbskommissarin für den Fall zuständig sein – und die Dänin kündigte bereits an, die Causa werde nicht ad acta gelegt: „Es wird nächste Schritte geben“, sagte Vestager Anfang Oktober bei ihrer Anhörung im Europaparlament. Es geht um potenzielle Strafzahlungen in Milliardenhöhe.

Die zweite Baustelle betrifft den Schutz persönlicher Daten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Mai befunden, dass die Suchmaschine Links zu Suchergebnissen löschen müsse, wenn die dort nachzulesenden Informationen das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz einer Person verletzten. Seit dem Urteilsspruch trudelten bereits mehrere hunderttausend Löschanträge bei Google ein.

Und zu guter Letzt muss Google um das sogenannte „Safe Harbour“-Abkommen zittern, das die Verarbeitung personenbezogener europäischer Daten in den USA ermöglicht. Seit dem Bekanntwerden der US-Spionageaktivitäten wird über dessen Kündigung debattiert. Für den Kommissionsvizepräsidenten Ansip ist das Abkommen aus heutiger Sicht „nicht sicher“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2014)

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