Der Verfassungsschutz ortet eine „permanente Bedrohung“ für die Informationssicherheit deutscher Stellen in Regierung, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung.
Berlin. Es war ein sicherheitspolitisches Fiasko: Über Wochen hinweg saugten Hacker Daten aus dem Herz der deutschen Gesetzgebung ab. Am Ende blieb den IT-Experten nichts anderes übrig, als den Stecker zu ziehen, die Server des Bundestags abzuschalten und das Netzwerk neu aufzusetzen.
Spekuliert wurde schon lang, dass hinter dem massiven, im Mai 2015 entdeckten Cyber-Angriff auf das deutsche Parlament Russland stecken könnte. Nun hat diesen Verdacht erstmals der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, bestätigt. Die Cyber-Attacken russischer Geheimdienste sind nach Einschätzung des Verfassungsschutzes gar Teil eines mehrjährigen, international ausgerichteten Cyber-Feldzugs. Bekannt ist, dass der im Bundestag eingesetzte Trojaner auch in anderen Ländern auftauchte.
Die Angriffe haben also System, und das nicht erst seit gestern: Einige Operationen ließen sich über sieben bis elf Jahre zurückverfolgen, so Maaßen. Das Ziel sei „umfassender strategischer Informationsgewinn“ – digitale Spionage also. Aber nicht nur. „Inzwischen zeigen russische Nachrichtendienste auch die Bereitschaft zu Sabotage“, erklärte Maaßen. Die Informationssicherheit deutscher Stellen in Regierung, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung sei „permanent bedroht“. Die größten Sorgen bereiten dem Verfassungsschutz mögliche Angriffe auf kritische Infrastruktur, etwa Energienetze.
Um Sabotage dürfte sich dabei eine Sandworm genannte Hackergruppe kümmern. Hinter dem Bundestag-Angriff soll dagegen Sofacy stecken. Maaßen spricht von „hybrider Kriegsführung im Cyber-Raum“.
Die deutsche Politik versuchte gestern zu beruhigen: Die Kommunikationssysteme der Bundesregierung seien „sehr stark geschützt“. Das Verteidigungsministerium errichte zudem eine eigene Abteilung für Cyber-Operationen.
CDU-Zentrale attackiert
Es passt jedoch ins Bild, dass erst am Mittwoch Cyber-Angriffe auf die Zentrale der Kanzlerpartei CDU in Berlin bekannt wurden. Seit April hätten Hacker versucht, in das Netzwerk einzudringen. Die Spur führt erneut nach Russland. (strei/ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2016)