Googles KI ist hungrig und auf der Jagd

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US-GOOGLE-HOSTS-ITS-ANNUAL-I/O-DEVELOPERS-CONFERENCEAPA/AFP/GETTY IMAGES/JUSTIN SULL
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Auf der diesjährigen Entwicklerkonferenz Google I/O präsentierte der Suchmaschinenriese die Vision der Zukunft. Und diese ist spannend, aber auch beängstigend.

Die zehnte Google I/O startete wie gewohnt mit der Eröffnungskeynote, die traditionell von Sundar Pichai geleitet wurde. Doch das war es dann schon mit den Reminiszenzen zu früheren I/Os. Alles neu und doch irgendwie zurück zu den Wurzeln. Ein neuer Veranstaltungsort, ein Open-Air-Auditorium nahe dem Google-Hauptquartier, das der Konferenz eine Nerd-Oberliga-Festivalstimmung verpasste. Nach zwei Stunden Präsentation voll mit Neuheiten, Innovationen und Zukunftsvisionen folgten Show-Acts. Alles sehr entspannt und locker. Typisch Google.

Die Google-I/O war auch für Sundar Pichai etwas Besonderes. Denn seit diesem Jahr ist er Google-Chef, nachdem das Unternehmen und Subfirmen unter der Dachfirma Alphabet zusammengeschlossen wurden. Sundar Pichai und sein Team konzentrieren sich wieder auf die Stärken von Google. Das ist die Suchfunktion und der damit vor einigen Jahren entwickelte Knowledge Graph.

Google will alles wissen. Mit dem Google-Assistant kommt die Technologie auf den Markt, die Google eigentlich schon seit Jahren in Händen hält. Eine Maschine, die auf dem Weg zur Allwissenheit ist. Der Datenpool ist in den letzten Jahren massiv gewachsen. Kein Wunder, wird er doch tagtäglich von jedem Nutzer angereichert.

Mittlerweile ist der Knowledge Graph – zumindest auf Englisch – so weit, dass die Frage nach aktuellen Kinofilmen bereits Kinos in der Nähe anzeigt und im nächsten Schritt direkt über die App der Ticketkauf abgeschlossen werden kann. Ob der ausgewählte Film überhaupt gut ist, beantwortet die Suchmaschine auch gleich. Es folgt aber keine Auflistung von Kritiken oder Einspielergebnissen, sondern eine Einschätzung anhand der Kritiken.
Der Assistent wird zum unersetzlichen Begleiter und zieht mit in die eigenen vier Wände. Als kleine, unscheinbare Station. Er soll ein dauerpräsenter Ansprechpartner werden. Ein Assistent, der immer zuhört. Ein Gerät, das nicht schläft und immer da ist, um zu reagieren. Aber was, wenn man es einmal nicht braucht?

Sicherheit bleibt auf der Strecke. Die Demos von Google waren beeindruckend. Die Realisierung von kontextbasierter, semantischer Suche wurde seit Jahren diskutiert. Und nun ist sie da.

Google verspricht, dass die kommende Software Android N in vielen Bereichen hinsichtlich der Sicherheit „aufgebohrt und grundlegend verbessert“ wurde. Doch derartige Versprechen müssen vorerst als Lippenbekenntnis angesehen werden, solange das Unternehmen nicht den Beweis erbracht hat. Solche Versprechen müssen mit Vorsicht genossen werden. Angesichts der Tatsache, dass im neuen Messenger Allo Verschlüsselung nur eine Option ist. Und das, nachdem führende Messenger-Dienste eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung haben.

Spekulationen darüber, dass es sich dabei um ein Eingeständnis gegenüber US-Behörden handelt, sind eher abwegig. Vielmehr ist es Googles Bestreben, dass die Verschlüsselung letztendlich nicht genutzt wird, denn hinter Allo und allen neuen Services stehen der Knowledge Graph und die KI (Künstliche Intelligenz), und diese müssen gefüttert werden. Mit Daten, mit dem Surfverhalten der Nutzer und mit den zig Millionen an Suchanfragen. Eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung würde die Unternehmensstrategie zunichtemachen. Google setzt hier auf die Bequemlichkeit der Nutzer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2016)

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