Presserat bezeichnet Facebooks Verhalten als "unethisch"

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FILES-US-MEDIA-IT-POLITICS-FACEBOOKAPA/AFP/JUSTIN TALLIS
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Das Soziale Netzwerk habe ethische Verantwortung bei dem zigtausendfach geteilten Gewaltvideo seine Verantwortung vernachlässigt. Aber auch an Medien, die das Video veröffentlicht haben, übt der Presserat Kritik.

Ein Mitte November auf Facebook zigtausendfach geteiltes Gewaltvideo, auf dem zu sehen ist, wie eine 15-Jährige in Wien von mehreren Jugendlichen verprügelt wird, hat dem sozialen Netzwerk seine erste Rüge beim Presserat eingebrockt. Facebook habe seine ethische Verantwortung als Plattform vernachlässigt, erklärte der Presserat am Freitag. Kritik gibt es auch an Medien, die das Video übernahmen.

"Der Senat bewertet es als problematisch, dass Facebook das Video erst nach Tagen und zahlreichen Beschwerden löschte". Die Verbreitung stuft der Presserat als "unethisch" ein. Aus seiner Sicht hätte Facebook viel schneller reagieren müssen. Das Unternehmen hatte zunächst betont, dass das Video nicht gegen die Gemeinschaftsstandards des sozialen Netzwerks verstoße.

Der Presserat übte auch Kritik an Medien, die das Gewaltvideo von Facebook übernommen hatten und selbst weiterverbreiteten. Zwar sei die Diskussion über brutale Gewalt von Jugendlichen für die Allgemeinheit wichtig und es bestehe auch ein öffentliches Interesse daran, die Verbreitung des Gewaltvideos in den sozialen Netzwerken zu thematisieren und zu hinterfragen. "Für diesen Diskurs ist es nach Meinung des Senats jedoch nicht erforderlich, das Gewaltvideo zu übernehmen", stellte der Presserat klar.

Medien haben Opferschutz vernachlässigt

Der Presserat fordert von den Medien mehr Zurückhaltung und Respekt für die Persönlichkeitssphäre von Verbrechensopfern. Im konkreten Fall sei in den Opferschutz des schwerverletzten Mädchens eingegriffen worden. Als Jugendliche wäre sie besonders schutzwürdig gewesen. Laut Ehrenkodex dürfen Fotos, die unter Missachtung der Intimsphäre entstanden sind, nur dann veröffentlicht werden, wenn ein über das Voyeurhafte hinausgehendes öffentliches Interesse klar ersichtlich ist.

"Der Senat appelliert an die Medien, aber auch an Facebook, den Persönlichkeitsschutz und die Menschenwürde von jugendlichen Verbrechensopfern in Zukunft genauer zu beachten und behält sich vor, wegen der Veröffentlichung des Gewaltvideos oder von Bildern daraus gegen die einzelnen Medien medienethische Verfahren einzuleiten."

Das Facebook-Video, auf dem die 15-Jährige zu sehen ist, wie sie ohne Gegenwehr die Attacken mehrere Jugendlichen über sich ergehen lässt, war innerhalb weniger Tage über vier Millionen Mal angesehen worden. Das Opfer erlitt bei der Tat einen Kieferbruch und musste operiert werden.

(APA)

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