Geheimes Urheberrechtsabkommen ACTA gefährdet Datenschutz

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Datenbestand - stored data(c) Www.bilderbox.com (Erwin Wodicka)
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Dubiose Bestimmungen des geplanten Anti-Piraterie-Abkommens ACTA erzürnen den EU-Datenschutzbeauftragten heftig. Laut Geheimpapier sollen Provider für illegale Downloads ihrer User haftbar werden.

Internet-Anbieter sollen dazu gezwungen werden, die Tätigkeiten ihrer Kunden penibel zu überwachen. Lädt etwa einer illegal Filme oder Musik herunter, drohen dem Provider sogar Geldstrafen und Schadenersatzforderungen, sofern er nicht glaubhaft belegen kann, dass er Maßnahmen unternommen hat, die illegalen Aktivitäten zu unterbinden. Dieser drastische Vorschlag, der IDG News zugespielt wurde (PDF-Download), befindet sich in der Endphase von geheimen Verhandlungen rund um das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA). Beteiligt sind die USA, die EU und weitere Staaten, die eine international einheitliche Handhabung gegen Software-Piraterie erreichen wollen.

EU-Datenschützer erzürnt über Geheimniskrämerei

Für den obersten Datenschützer der EU, Peter Hustinx, ist der Vorschlag vor allem eines: Inakzeptabel. Besonders schwerwiegend sei die Tatsache, dass die Verhandlungen in keiner Weise mit dem Büro des Europäischen Datenschutzbeauftragten abgesprochen worden sind, erklärt Hustinx in einer speziellen Aussendung. Schließlich würde das Abkommen erhebliche Fragen in Sachen Grundrechte und Datenschutz aufwerfen, so Hustinx. Die EU-Kommission weigert sich seit zwei Jahren beharrlich, die Öffentlichkeit über die Verhandlungen zu informieren. Stattdessen werden viele wichtige Punkte im Geheimen verhandelt. Das ACTA-Abkommen sei daher möglicherweise nicht mit den Datenschutzbestimmungen der EU vereinbar, schreibt Hustinx.

Internetanschluss soll nicht gekappt werden dürfen

Gleichzeitig warnt er ausdrücklich vor Maßnahmen, die den Internetanschluss von Benutzern kappen, die beim illegalen Herunterladen erwischt worden sind. Damit kritisiert der Datenschutzbeauftragte auch eine entsprechende französische Gesetzgebung, die 2009 für Aufregung gesorgt hat. Die Verhandler sollen ACTA transparenter machen. Derzeit würden Kritiker des Abkommens oft als paranoid abgekanzelt werden, wie die Piratenpartei schreibt. Mangels echter Informationen sei es schwierig, solchen Anschuldigungen entgegen zu treten. Der veröffentlichte Auszug des ACTA-Vorschlags bestätigt aber viele Befürchtungen der Datenschützer.

EU-Parlament fordert vergeblich Transparenz

ACTA soll nicht nur das Thema illegale Downloads umfassen, sondern auch klassische Produktpiraterie bekämpfen. Seit ungefähr 2006 wird verhandelt, neben USA und EU sind auch die Schweiz, Japan, Australien und weitere Länder beteiligt. Ganz genau lässt sich die Zahl nicht festmachen, da die Verhandlungen stets hinter verschlossenen Türen geführt werden und auch noch andere Länder als die offiziell bekannt gegebenen beteiligt sein könnten. In einer Resolution des EU-Parlaments vom Dezember 2008 wurde die Kommission aufgefordert, die Verhandlungen "mit der äußersten Transparenz gegenüber den EU-Bürgern" zu führen. Federführend bei der Resolution war die Grüne EU-Abgeordnete Eva Lichtenberger. Offenbar hat die Kommission diese Aufforderung schlichtweg ignoriert.

Provider wollen nicht Wachhund spielen

Es darf erwartet werden, dass die Provider alles andere als froh über den Vorschlag sein werden. Erst vor kurzem hatten die Geschäftsführer der Mobilfunkbetreiber Orange und "3" im Interview mit DiePresse.com ihren Unmut darüber geäußert, dass Internet-Anbieter als rechtlicher Wachhund eingesetzt werden sollen. De facto müssten sie jedes einzelne Byte, das übertragen wird, einer Kontrolle unterziehen, um sicherzugehen, dass ihre Kunden keine illegalen Inhalte konsumieren. Ansonsten könnten demnächst Hollywood-Studios anklopfen und Geld verlangen. Der Aufwand dafür ist enorm und übersteigt den, der durch die Vorratsdatenspeicherung nötig geworden ist, um ein Vielfaches.

Kommission darf nicht selbständig offenlegen

Noch ist das Abkommen nicht fix. Vom 12. bis 16. April soll die nächste Verhandlungsrunde in Neuseeland stattfinden. Bis Jahresende planen die Verhandler, ACTA fertigzustellen. Allerdings ist zu erwarten, dass sich heftiger Widerstand regen wird, sollte das Papier so verwirklicht werden, wie es der durchgesickerte Vorschlag andeutet. Selbst Verhandler der Kommission, die nicht genannt werden wollten, sind mit der Situation unzufrieden, berichtet Computerworld. Problematisch ist allerdings, dass die Kommission Dokumente nur dann veröffentlichen darf, wenn die offiziell zehn Verhandlungspartner dem zustimmen.

(db)

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