Urteil: eBay hat Betrüger monatelang ignoriert

Gericht eBay liess Betrugsopfer
Gericht eBay liess Betrugsopfer(c) AP (Wong Maye-E)
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eBay ließ einen Betrüger offenbar trotz zahlreicher Warnungen monatelang gewähren. Das Landesgericht St. Pölten sah eine grobe Verletzung der Sorgfaltspflicht und sprach einem Käufer 16.463 Euro Schadenersatz zu.

Das Landesgericht St. Pölten hat eBay zu einer Schadenersatzzahlung in Höhe von 16.463 Euro verurteilt. Grund dafür ist ein missglückter Goldkauf. Der Kläger wollte im September 2007 bei einem deutschen Anbieter über die Online-Auktionsplattform ein Kilogramm Gold kaufen. Nach der Vorauszahlung hörte der Käufer nie wieder etwas von dem Händler. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass eBay bereits Monate zuvor von Problemen mit dem Händler unterrichtet worden war. Das Gericht sah daher eine "an bedingten Vorsatz grenzende grob fahrlässige Verletzung von vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten" seitens eBay und entschied zugunsten des Käufers. Konkret wird dem Unternehmen damit angelastet, seine Kunden bei Betrugsfällen ins offene Messer rennen zu lassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Betrüger verdiente 400.000 Euro pro Monat

Der fragwürdige Händler "ML-Agentur" wurde inzwischen in Deutschland rechtskräftig wegen Betrugs verurteilt. Bis eBay ihn von seiner Plattform entfernte, hatte "ML-Agentur" aber etwa 400.000 Euro pro Monat an Umsatz getätigt. Einen Prozentsatz davon strich eBay an Gebühren ein. Der Händler zählte zu den 20 umsatzstärksten Verkäufern auf eBay Deutschland und war als geprüfter "Platin-PowerSeller" angepriesen. Diese werden von eBay als besonders professionell und vertrauenswürdig eingestuft. In manchen deutschen Forenbeiträgen und seitens Personen, die mit dem aktuellen Verfahren vertraut sind, wurde vermutet, eBay würde wissentlich diesen Betrug zulassen, um weiterhin die hohen Gebühren einstreichen zu können.

"Beleidigendes" Vergleichsangebot

Im 37 Seiten starken Urteil, das DiePresse.com vorliegt, folgt der Richter weitgehend der Argumentation des Klägers. Für Klagsvertreterin Gabriela Richter von der Kanzlei Urbanek Lind Schmied Reich Rechtsanwälte war das abzusehen. Von eBay seien keine guten Beweise geliefert worden, so Richter. Sie vermutet, dass eBay die Klage auf die leichte Schulter genommen hat. Sie gibt allerdings zu, dass ihr Mandant ein "großes Risiko" mit dem Kauf in Höhe der rund 16.000 Euro eingegangen sei. Ein Vergleichsangebot von eBay schlug sie aus. Es sei von den Bedingungen her "beleidigend" gewesen, so Richter.

eBay sieht Mitschuld beim Käufer

Seitens eBay erklärte Anwalt Axel Anderl gegenüber DiePresse.com, dass man gegen das Urteil definitiv vorgehen wolle: "Zum Glück gibt es in Österreich noch einen Instanzenzug." Nach eBays Ansicht hat der Käufer auf der Plattform vorhandene Schutzmaßnahmen wie Treuhanddienste nicht ausgenutzt. Noch dazu hätten beim Käufer aufgrund des Kaufpreises schon die Alarmglocken schrillen müssen. "Der Kläger wollte auf eBay nur sein Glück versuchen," meint Anderl. Ein weiteres Argument von eBay ist die Bewertungsseite. Bei so etwas kritischem wie Gold würde er selbst bei einer einzigen negativen Bewertung schon Abstand vom Kauf nehmen, sagt Anderl. Daher versuchte die Verteidigung auch zu argumentieren, dass den Kläger eine Mitschuld trifft. Das Gericht sah es aber als Tatsache, dass eBay den Verkäufer trotz zahlreicher Warnungen weiterhin als vertrauenswürdigen Händler anführte, und entschied deshalb anders. Anderl will das nicht gelten lassen. Das Urteil würde fast ausschließlich die Argumente der Gegenseite aufgreifen, noch dazu seien Vergleiche wie eBay würde in seiner "Trägheit" gar einer "sowjetischen Bürokratie" gleichen, absolut unangemessen in einem Urteil.

Experte: eBay ließ es auf Probleme ankommen

Für das Urteil war die Zeugenaussage eines erfahrenen eBay-Sicherheitsexperten ausschlaggebend. Burkhard Müller hatte die Machenschaften von ML-Agentur ab Jänner 2007 verfolgt, über die Verbraucherschutzplattform falle-internet.de öffentlich informiert und war deswegen auch mit eBay-Entscheidungsträgern im Kontakt. Das Unternehmen war also lange vor dem unglücklichen Kauf im September informiert. Müller sieht im Gespräch mit DiePresse.com strukturelle Probleme als Grund für die Verzögerung. Sicherheitsteam und PowerSeller-Betreuer seien getrennt, so Müller, dadurch würde es oft erst Wochen später zu Entscheidungen kommen, wenn Probleme auftreten. Im aktuellen Fall habe es eBay "drauf ankommen lassen", dass etwas passiert. Das Gericht teilte diese Meinung offenbar.

(db)

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