Rentafriend.com lässt Freunde mieten

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young girl friends whispering(c) Erwin Wodicka - BilderBox.com (Erwin Wodicka - Bilderbox.com)
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Ob als Begleitung für einsame Großmütter oder für Geschäftsreisende: In den USA, Kanada und Großbritannien kann man seine Freundschaft nun gegen Bares vermieten.

In ihrem gar nicht so geheimen Doppelleben ist Jennifer Morrison käuflich. Die Ehefrau und Mutter von zwei Kindern aus Las Vegas führte erst kürzlich einen wildfremden Informatiker durch die berühmten Spielkasinos. Sie ging mit einer gelangweilten Großmutter ins Kino und traf am Flughafen einen Geschäftsreisenden, den sie über Ausflugsziele informierte. Jennifer, wie sie sich im Internet nennt, ist eine gemietete Freundin.

Sie findet ihre Kunden über die seit sieben Monaten bestehende Website Rentafriend.com, die es Mitgliedern ermöglicht, für eine bestimmte Zeit einen Freund zu mieten. "Als ich mir die Website zum ersten Mal ansah, hatte ich gemischte Gefühle", sagt die 31-jährige Morrison. "Ich dachte, es ist irgendwie traurig, dass Leute das tun müssen."

Ihr Ehemann gab ihr schließlich für die Anmeldung seinen Segen. In ihrem Profil gibt sie Auskunft über ihren Familienstand und wirbt mit ihren Tanzkünsten. "Wenn du jemanden zum Trainieren oder zum Herumhängen brauchst, bin ich genau die Richtige für dich", ist auf ihrer Seite zu lesen. Morrison hat einen Vollzeitjob, verdient sich aber mit ihren Freundesdiensten noch etwas Geld hinzu.

Die sozialen Mietplattformen waren zunächst in Japan und anderen asiatischen Ländern erfolgreich. "In der japanischen und chinesischen Kultur spielt die Familie eine sehr große Rolle", erklärt Scott Rosenbaum, Gründer der US-Variante. "Dort ist es üblich, dass eine Familie einen fehlenden Verwandten zum Beispiel durch einen Miet-Vater ersetzt."

Rentafriend ist auch in den USA erfolgreich. Dort wird die Website jeden Monat 100.000 Mal angeklickt. Um sich Fotos und Profile von 167.000 potenziellen Freunden ansehen zu können, zahlen die rund 2.000 Nutzer einen monatlichen Mitgliedsbeitrag von 24,95 Dollar (rund 20 Euro). Interessierte können sich dann für einen Freund entscheiden und mit ihm oder ihr über E-Mail oder Telefon in Kontakt kommen, sagt Rosenbaum, der früher Dating-Websites betrieb. Die gemieteten Freunde nehmen für ihre Dienste 20 bis 35 Dollar pro Stunde, manche auch bis zu 150 Dollar (115,8 Euro). Rentafriend.com ist derzeit auch in Kanada und Großbritannien verfügbar.

Kann eine solche Internet-Plattform Menschen, die in einer Welt leben, in der wahre Freundschaft selten ist, einen Hoffnungsschimmer bieten? Ori Brafman, Co-Autor eines Buches zum Thema, äußert sich skeptisch. "Wir kaufen uns flüchtige Ersatzbeziehungen, weil in unserer Gesellschaft enge Beziehungen Mangelware sind. Dabei sind sie doch so wichtig." John T. Cacioppo, Neurologe und Buchautor, pflichtet ihm bei. Die Website könne Menschen zwar helfen, wieder in der Gesellschaft Fuß zu fassen, sei aber als Ersatz für echte Beziehungen ungeeignet.

Christopher Barton aus dem US-Bundesstaat Nevada probierte Rentafriend zum ersten Mal vor sechs Monaten während einer Geschäftsreise aus. Der umtriebige 31-Jährige wollte nicht mehr alleine in Restaurants sitzen und seine Freizeit besser nutzen. "Ich bin immer in einer anderen Stadt", erzählt er. "Man holt sich eine Art Fremdenführer." Er sucht sich junge und attraktive Begleiterinnen, denn "ich würde mich komisch fühlen, einen Mann dafür zu bezahlen, mit mir auszugehen". Eine Miet-Freundin zeigte ihm zum Beispiel in Chicago ein ausgefallenes Restaurant, das er allein nicht gefunden hätte.

Einsam fühlt er sich nicht, er hat Freunde, wenn auch zurzeit keine Partnerin. "Wenn ich eine Freundin hätte, würde sie wahrscheinlich wissen wollen, was da passiert", sagte er. "Ich würde es wahrscheinlich weniger nutzen oder ich würde anfangen, Männer zu bezahlen."

(Ag.)

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