Illegale Downloads: Filmindustrie verklagt Provider UPC

SWITZERLAND FILM FESTIVAL LOCARNO
SWITZERLAND FILM FESTIVAL LOCARNO(c) EPA (Martial Trezzini)
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Der "Verein Anti Piraterie" fordert die Sperre von Websites, über die Filme ohne Lizenz und Gegenleistung heruntergeladen werden können. Eine entsprechende Aufforderung hatten heimische Provider bereits abgelehnt.

Es sei ein Akt der "Notwehr". Zumindest behauptet das der "Verein Anit Piraterie" (VAP), der soeben eine Unterlassungsklage gegen UPC Telekabel Wien, einen der größten Breitband-Internetanbieter Österreichs eingelegt hat. Konkret geht es um das von Russland aus betriebene Portal kino.to, das Filme zum Download oder Streaming anbietet. UPC soll den Zugang zu dieser Website für österreichische Benutzer sperren. 40.000 Mal wurde Michael Hanekes "Das weiße Band" auf kino.to bereits angesehen, bei Hollywoodfilmen bewegen sich die Zahlen in Millionenhöhe.

"Das, was hier passiert, ist offensichtlich illegal", meint VAP-Rechtsanwalt Andreas Manak. "Da die Seitenbetreiber nicht festgestellt werden können, nehmen wir die Internet Service Provider in die Pflicht." Gemeinsam mit den Produktionsfirmen Wega Film, Constantin Film und Satel Film reicht der VAP daher die Klage ein.

Prozess ist "natürlicher Schritt"

Mitte Oktober sorgten außergerichtliche Aufforderungsschreiben an zahlreiche heimische Internet Service Provider für Aufsehen. Die ISPA, die Dachorganisation der heimischen Internetwirtschaft, warf der Urheberrechtsindustrie Wegelagerer-Praktiken vor. Alle angeschriebenen Provider lehnten eine Zusammenarbeit ab. "Für uns ist es ein natürlicher Schritt, das nun prozessual zu klären", so Müller. "Es geht uns mit der Domain-Blockierung nicht um Zensur, sondern um regulatorische Maßnahmen. Bei kino.to handelt es sich um hundertprozentige illegale Verbreitung, das muss unterbunden werden." Illegal ist aber nur die Verbreitung. Wer sich Filme von derartigen Portalen herunterlädt, wird nicht zur Verantwortung gezogen. Lediglich der Upload wird in Österreich bestraft.

Provider: Filterung nicht rechtmäßig

"Der Prozess wird zu einer Grundsatzentscheidung für die gesamte Branche führen", sagt Andreas Wildberger, Generalsekretär der ISPA, Österreichs Provider-Verband, im Gespräch mit DiePresse.com. Er erwartet, dass das Verfahren bis vor den Obersten Gerichtshof gehen wird. Gleichzeitig fehlt seiner Meinung nach aber die rechtliche Grundlage für eine Websperre egal welcher Inhalte. Die Provider seien "weder ermächtigt, noch gesetzlich verpflichtet", die über ihre Leitungen transportierten Daten zu kontrollieren und zu filtern. Sollten die Gerichte das anders sehen, wäre das das erste Mal überhaupt in Österreich, dass eine Website durch einen Provider gefiltert werden müsste.

UPC selbst reagierte nur mit einer knappen Stellungnahme. Man habe noch keine Klage erhalten, würde aber illegale Aktivitäten nicht unterstützen. Weiters schrieb das Unternehmen: "UPC ermöglicht seinen Kunden den Zugang zum Internet, hat allerdings keine Verpflichtung und kein Recht auf Selektion oder Prüfung der darin angebotenen Inhalte."

Was darf und muss ein Vermittler?

Laut VAP-Anwalt Manak würde aber sehr wohl ein Rechtsanspruch auf Unterlassung der Weiterleitung der Daten bestehen. Neben dem "unmittelbaren Täter", also den Website-Betreibern, sei auch der Vermittler, also der Provider, dafür verantwortlich, dass illegal Filme angeboten werden. Wildberger stößt sich naturgemäß an dieser "Interpretation des Begriffs des Vermittlers". Manak würde sich auf ein EuGH-Urteil (C-557/07) zum Verfahren LSG gegen Tele2 aus dem Jahr 2009 beziehen. Damals sei es aber um die Herausgabe von Benutzerdaten auf Basis von IP-Adressen seitens eines Providers gegangen. Die Analogie für den aktuellen Fall sei in Frage zu stellen, sagt der ISPA-Chef.

Independent-Filme betroffen

Zu den Mitgliedern des 2003 gegründeten VAP zählen neben zahlreichen Produktionsfirmen auch Fernsehanstalten, Verlage und Filmverleihe. Winfred Kunze, Geschäftsführer des DVD- und Videovertrieb-Unternehmens Wintrade, sitzt im Vorstand des VAP und sieht viele Teile der Verwertungskette eines Films von dem illegalen Angebot von Filmen im Internet gefährdet. "Da hängt nicht nur viel Geld, sondern auch die Sicherung von Arbeitsplätzen dran." Vor allem Independent-Produktionen seien von Piraterie betroffen. "Von Filmen wie der Doku 'Plastic Planet' verkaufen wir in Österreich nicht einmal 10.000 Stück, wenn da allein 10 bis 20 Prozent durch die illegale Internetpräsenz wegfallen, ist das ein beträchtlicher Verlust", so Kunze.

"Arbeitsplatzkeule" statt Strukturreform

Wildberger ärgert sich, dass die Industrie "wieder einmal die Arbeitsplatzkeule schwingt". Besonders erbost es ihn, dass man über die Situation in der eigenen Branche klagt, aber dann "panikartig" auf andere Wirtschaftszweige losgehe. Seiner Ansicht nach hat die Filmbranche die Entwicklung verschlafen und hätte vor 15 Jahren bereits die Weichen für eine Strukturänderung stellen müssen. "Es gibt zu wenig Bereitschaft für Veränderung", ärgert sich Wildberger. Anstatt etwas zu ändern, würden Rechteverwerter lieber ihre Zeit damit verbringen, sich zu beschweren, wie schlecht es ihnen geht. "Da werden Download-Kurven gezeigt, die ständig nach oben gehen, dabei gehen sie schon wieder nach unten", sagt Wildberger.

Verluste angeblich in Milliardenhöhe

VAP-Mann Kunze verwies dementsprechend auf eine vom Beratungsunternehmen TERA durchgeführte EU-Studie zu den wirtschaftlichen Folgen von Raubkopien in der europäischen Kreativwirtschaft. Österreich selbst werde in der Studie zwar nicht spezifisch beleuchtet, "man kann aber von zehn Prozent vom deutschen Markt ausgehen", so Kunze. Demnach seien in Deutschland im Filmsegment im Laufe der nächsten fünf Jahre mindestens 40.000 Arbeitskräfte gefährdet, "in Österreich sind also bis zu 4000 Arbeitsplätze betroffen". Für alle 27 EU-Staaten errechnete die Studie, dass die Verluste bis 2015 ohne konkrete Gegenmaßnahmen 56 Milliarden Euro und rund 1,2 Millionen Arbeitsplätze ausmachen werden.

Urheberrecht zu zerfasert und veraltet

Wildberger wiederum fordert ein "internetfittes" Urheberrecht. Er verstehe nicht, warum es eine dermaßen starke Lobby hier nicht aktiver wird. Als positives Beispiel nennt er den US-Markt. Dort können Nutzer TV-Serien und Filme legal im Internet beziehen. Mit Netflix gibt es ein erfolgreiches Portal für Filme und Serien. In Europa sei das durch die "terretoriale Zerfransung" des Urheberrechts derzeit nur schwer möglich. Die Lizenzen müssen immerhin für alle 27 Länder der EU einzeln ausverhandelt werden - ein großes Hindernis für alle Anbieter. In Österreich bietet etwa nur Microsoft mit seinem Zune Marktplatz eine Provider-unabhängige Video-on-Demand-Plattform an. Solche Ansätze sieht Wildberger als "begrüßenswert" an. Die geklagte UPC selbst bietet aber auch legal Filme an, ebenso der Mobilfunker 3. Beide Unternehmen ermöglichen das aber nur ihren jeweiligen Kunden.

Wirtschaftskammer versteht Klage nicht

Mit Unverständnis reagierte auch Hans-Jürgen Pollirer, Obmann der Bundessparte Information und Consulting der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Er kritisiert jedoch nicht den Klagbestand an sich, sondern den Zeitpunkt. "Die Contentindustrie weiß ganz genau, dass derzeit ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH anhängig ist, in dem die Frage der Zulässigkeit und Verhältnismäßigkeit von Filtermaßnahmen auf dem Prüfstand steht", so Pollirer in einer Presseaussendung der WKÖ. Warum der VAP "gerade jetzt" prozessieren wolle, "leuchtet absolut nicht ein."

(APA/db)

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