Hunderte Nutzer kündigen ihr Konto, nachdem der Bezahldienst das Spendenkonto von Wikileaks gesperrt hat. Auf Facebook gibt es Boykottaufrufe und Beschimpfungen.
Derzeit sieht sich der Internet-Bezahldienst PayPal einer Welle von Entrüstung gegenüber. Grund ist die kontroversielle Sperrung eines Kundenkontos, das von der Aufdeckerplattform Wikileaks genutzt wurde. Begründet wird das mit einer Verletzung der Nutzungsbedingungen. In einem knapp gehaltenen Blogeintrag spricht das Unternehmen davon, dass man "illegale Aktivitäten" nicht unterstützen wolle. Seitdem tobt auf Facebook ein regelrechter Sturm an negativem Feedback. Hunderte Nutzer kündigen an, ihre Konten aus Protest zu löschen. Boykottaufrufe mit Bildern, in denen das Firmenlogo zu "ByePal" oder "FailPal" umgewandelt wurde, kursieren im Web.
Löschung als Trophäe
"Rückgratlos" ist noch eine der harmloseren Bezeichnungen, mit denen PayPal sowohl auf der deutschen, als auch auf der amerikanischen Facebook-Fanseite bedacht wird. Viele Nutzer drücken nur auf den "Gefällt mir" Button, um ihren Unmut kund zu tun, um danach gleich wieder auf "Gefällt mir nicht mehr" zu drücken. Fast schon als Trophäen werden Screenshots von Kontolöschungen online gestellt. Besonders sauer stößt den Nutzern auf, dass ein US-Unternehmen von sich aus bestimmt, was illegal ist, noch bevor es dazu ein Urteil gibt. PayPal wird vorgeworfen, auf Zuruf des US-Außenministeriums zu handeln. Viele fragen sich auch, warum Wikileaks gesperrt wurde, während die als rechtsextrem eingestufte DVU weiterhin per PayPal Spenden sammeln darf.
Unzufriedenheit gestiegen
Freilich dürfte die Sperrung von Wikileaks, genauer gesagt der für sie sammelnden Wau-Holland-Stiftung, der Tropfen gewesen sein, der das Fass der Unzufriedenheit zum Überlaufen gebracht hat. Schon in der Vergangenheit wurde PayPal wegen seines Unternehmensgebarens öfter kritisiert. Gegründet als Tochterunternehmen der Online-Auktionsplattform eBay, ist PayPal ein bequemer Weg, um Transaktionen zu bezahlen. Wie Berichte des ZDF und des c't-Magazins zeigen, kann es damit aber auch Probleme geben. Auch DiePresse.com weiß von negativen Erfahrungen, die Benutzer mit dem Dienst, insbesondere dem Kundensupport, gemacht haben.
Sippenhaftung auf PayPal?
Der von c't geschilderte Fall ist von besonderer Brisanz. Es wird berichtet, dass PayPal völlig unabhängige Konten zweier Familienmitglieder (Vater und Sohn) miteinander verknüpft hatte. Nachdem es Probleme mit dem Konto des Sohnes gab, wurde gleich auch das Konto des Vaters gesperrt. Keiner der Beteiligten hatte aber je Zugriff oder Einblick in das Konto des jeweils anderen. PayPal, das den Status einer Bank nach luxemburgischen Recht genießt, sieht diese ungefragt durchgeführten Verknüpfungen als rechtens an. Erst auf Intervention von c't durfte der Vater wieder auf sein Konto zugreifen.
Anwälte raten von Nutzung ab
Aufgrund von Problemen mit PayPal rät etwa auch eine Münchner IT-Recht-Anwaltskanzlei von der Nutzung des Dienstes ab. Viele unschuldige Kunden würden aufgrund des "Verdachts auf terroristische Umtriebe" von Kontosperrungen bedroht sein, schreibt die Kanzlei. Auch das Zurückbuchen von Geld im Falle einer fehlgeschlagenen Geschäftsbeziehung würde selten reibungslos durchgeführt werden. Auch, dass Kundendaten in den USA gelagert werden, wird als Kritik angeführt. Als Schlussfolgerung rät die Kanzlei von der Nutzung des Dienstes ab und bezeichnet sie für Europa als "kaum mehr sinnvoll".
Fan-Anzahl sinkt
Es gibt aber auch Kunden, die die Maßnahme von PayPal unterstützen. Auf Facebook scheinen sie aber in der Minderheit zu sein. Die Anzahl der Fans für PayPal Deutschland hat sich seit Bekanntgabe der Wikileaks-Blockade um ein paar Hundert verringert. Nach aktuellem Stand (Montag, 6. Dezember, 9:00) sind es 121.479 Fans, bei der US-Seite sind es 249.771 Fans. Aufgrund der bequemen Zahlungsabwicklung, die PayPal vor allem für Käufer auf eBay ermöglicht, wird das Unternehmen durch den Boykottaufruf wohl kaum alle seine Kunden verlieren.
Wikileaks hat übrigens, wie auch auf die Hacker-Angriffe, flexibel reagiert. Nachdem PayPal das Konto gesperrt hatte, wurde die entsprechende Option auf der Spenden-Informationsseite einfach durchgestrichen. Unterstützer des Portals können aus fünf weiteren Möglichkeiten wählen, um es zu finanzieren.
(db)