„Newsgrape“: Die Nachrichtentraube

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Nachrichtentraube(c) Michaela Bruckberger
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Zwei Wiener Studenten wollen mit Newsgrape eine Online-Plattform für Texte gründen und damit Leser und Schreiber auf einer Ebene zusammenbringen. Die Plattform soll eine Art „YouTube für Texte“ sein.

Die Chancen stehen fifty-Fifty. Die beiden jungen Männer aus Österreich, die in einigen Wochen eine Plattform für Online-Texte starten wollen, könnten in ein, vielleicht zwei Jahren die Mark Zuckerbergs Österreichs sein. Oder sie bleiben zwei von vielen heimischen Jungunternehmern mit einer passablen Idee, die nicht richtig zünden wollte. Verständlich, dass sich Leo Fasbender und Felix Häusler derzeit eher nicht damit auseinandersetzen wollen, was passiert, wenn ihre Plattform „Newsgrape“ nicht „abhebt“.

Stattdessen sehen die beiden Studenten, die sich aus der Schulzeit in Wien kennen, lieber nach vorn und trommeln laut und engagiert für ihr Projekt. Sie wollen nichts weniger als „die Nachrichtenwelt und die Blogger auf die nächste Ebene bringen“. Ein großes Vorhaben, wenn man bedenkt, dass es im Internet bereits unzählige kleinere Plattformen gibt, die Texte verbreiten oder Geld für investigative Artikel von freien Journalisten sammeln, wie das US-amerikanische propublica.com oder das deutsche spredder.de. Fasbender und Häusler sind sich aber sicher, dass es so etwas wie ihr „Newsgrape“ noch nicht gibt: In der „Nachrichtentraube“ sollen alle Texte zusammenkommen,  eine Art „YouTube für Texte“ sein, wie Häusler es im Interview mit „Zeit Online“ nennt. Dabei hinkt der Vergleich mit YouTube eigentlich etwas, wie die zwei der „Presse“ erzählen.


Kein Vergleich mit YouTube. Schon optisch würde sich ihre Plattform vom Internet-Videoportal unterscheiden; ein großer Vorteil von „Newsgrape“ sei zudem die leichte Bedienbarkeit und die Möglichkeit, Texte nach Themengebieten zu suchen, zu abonnieren und zu speichern. Die Plattform soll kein soziales Netzwerk sein wie Facebook oder Twitter. Um Texte auf Newsgrape zu lesen, muss man nicht registriert sein. Wer aber darauf publizieren will, muss sich ein Profil anlegen, auf dem er Texte feilbieten kann, die er entweder in seinem Blog oder in herkömmlichen Print- oder Onlinemedien veröffentlicht hat. So soll der Schreiber möglichst viele Leser erreichen und insgesamt „die schnellste Nachrichtenplattform“ des Netzes entstehen. Durch ein Textbewertungs- und Kommentarsystem soll zusätzlich ein „qualitatives Diskussionsforum“ entstehen.

Von der US-amerikanischen Crowdfunding-Plattform kickstarter.com haben sie unlängst den Zuschlag bekommen, ihr Projekt bewerben zu dürfen, um so an möglichst viele freiwillige Spender zu gelangen, die sie mit Beträgen ab 3,40 Euro unterstützen können. Bisher gibt es 53 Spender. Erst wenn genug Geld da ist, wollen sie Mitte Jänner für einen geschlossenen Kreis an Freunden und Unterstützern eine Testversion aktivieren. „Ab März wollen wir die richtige Version dann schon mit einer Fülle von Texten starten“, sagt Fasbender. Und das zweisprachig – Deutsch und Englisch. Die Texte können aber auch in anderen Sprachen publiziert werden.

Was auffällt: Die beiden Studenten haben mit befreundeten Programmierern und ihrem ehemaligen Mathematiklehrer sehr lange an den technischen Details gearbeitet und sich Zeit gelassen, mit ihrem Projekt an die Öffentlichkeit zu gehen. Auf die Idee kamen sie vor mehr als einem Jahr durch ihr Onlinemagazin critics.at: „Trotz des Aufwandes hatten wir nach einem halben Jahr relativ wenig Leser“, sagt Fasbender. Vielen Bloggern würde es genauso gehen. Deshalb wollen sie nun interessierte Leser und Blogger zusammenbringen. Letztere, für Häusler ohnehin „die anspruchsvollsten Nutzer des Netzes“, will „Newsgrape“ in erster Linie ansprechen. Aber auch die großen Verlage wollen die beiden langfristig überzeugen. „Newsgrape ist keine Kampfansage an klassische Medien und auch nicht das Ende der Blogs. Wir sehen uns eher als Partner etablierter Medien.“ Aber warum sollten große Verlage bei Newsgrape einsteigen, wenn diese doch vor allem die Zugriffszahlen ihrer eigenen Onlinemedien erhöhen wollen? „Weil sie auf diese Art neue Leser und Zielgruppen ansprechen können, indem sie beispielsweise nur eine Kurzfassung eines Artikels bei uns publizieren und auf ihre eigene Homepage verweisen“, erklärt Häusler.


Kampfansage an Farmville&Co. Für den Fall, dass sich die eingangs erwähnte Fünfzig-Prozent-Chance auftut und ihre Plattform abhebt, kommt der nächste Schritt: die Werbung. Auch hier haben sich die zwei einiges überlegt, sie wollen die Schreiber zu 75 Prozent an den Werbeerlösen beteiligen.

Noch klingt das Ziel der Jungunternehmer altruistisch: Sie wollen den Journalismus retten, weil sie glauben, dass auch junge Menschen gerade im Internet viel lesen. „Wir finden, dass Schreiber wieder den fairen Preis für ihre Arbeit bekommen sollen.“ Viele Menschen würden stundenlang in Facebook verbringen, aber keinen Mehrwert davon haben, nichts daraus lernen. „Wir wollen wieder mit Inhalten kommen“, sagt Häusler. Ihr „Newsgrape“ verstehen sie gewissermaßen als Kriegserklärung an Moorhuhnspiele und Farmville.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.01.2011)

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