Google, Amazon & Co erwägen "Atomkrieg" gegen Webzensur

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In den USA droht durch ein Gesetz eine bisher unerreichte Internet-Zensur. Web-Firmen wollen sich bis zum äußersten dagegen wehren. Es wird angedacht, hunderte Millionen Nutzer für die Sache einzuspannen.

US-Webnutzer und Internet-Unternehmen haben derzeit ein großes Feindbild. Der derzeit debattierte Stop Online Piracy Act (SOPA) droht, die Grundfesten des freien Internets zu erschüttern. Behörden, aber auch Privatunternehmen sollen die Möglichkeit erhalten, umfassend Websites blockieren lassen zu können. Grund genug, dass Google-Mitgründer Sergey Brin davor warnt, dass das Gesetz die USA "auf eine Stufe mit den unterdrückerischsten Nationen der Welt stellen" würde. Auch zahlreiche andere namhafte Webfirmen haben ihren Widerstand gegen den SOPA-Entwurf angekündigt. Die Unternehmen haben dabei eine entscheidende Waffe in der Hand: Ihren direkten Kontakt zu unzähligen Nutzern.

Google und Facebook mit Zensur-Warnung?

Während sich der Protest bisher auf politische Arbeit und Unterschriftenlisten beschränkt hat, könnten die Unternehmen noch deutlich heftigere Maßnahmen setzen. Wie Cnet berichtet, wird derzeit ernsthaft das "Äquivalent einer nuklearen Option" in Erwägung gezogen. Konkret geht es darum, auf den Startseiten von Google, Facebook, Amazon & Co eine auffällige Zensur-Warnung ausschließlich für US-Webnutzer anzuzeigen, mit dem Hinweis, sich bei seinem Abgeordneten über das Gesetz zu beschweren. Technisch wäre das ohne weiteres möglich. Die Unternehmen könnten damit hunderte Millionen Nutzer auf ihr Anliegen aufmerksam machen. Die Blog-Seite Tumblr konnte im Alleingang bereits 87.834 Anrufe an US-Abgeordnete erreichen.

Wikipedia erwägt Streik

Dass es derartige Überlegungen gibt, soll Markham Erickson, der NetCoalition vorsteht, bestätigt haben. Die Koalition vereint Branchengrößen wie Google, Amazon, eBay und Yahoo unter ihrem Mantel. "So etwas hat es bisher noch nie gegeben", ergänzt Erickson. Auch Wikipedia-Gründer Jimmy Wales hatte eine Art Streik seiner Online-Enzyklopädie vorgeschlagen, um auf die Weise gegen SOPA zu protestieren. Als Vorbild nimmt er sich die italienische Wikipedia, die aus Protest all ihre Artikel für eine Zeit unsichtbar gemacht hatte. 89 Prozent der Wikipedia-Nutzer stimmten seinem Vorschlag zu.

Provider und Zahlungsdienstleister im Visier

Hintergrund des Gesetzes ist der Wunsch der Unterhaltungsindustrie, gegen Raubkopien und Filesharing-Websites wie The Pirate Bay vorgehen zu können. SOPA soll es Inhabern von Urheberrechten ermöglichen, selbst Blockadebescheide an Zahlungsdienstleister zu schicken, wenn diese in den USA ansässig sind. Damit soll der Geldfluss an vermeintlich illegale Angebote abgedreht werden. Der Anbieter muss binnen fünf Tagen reagieren, sonst drohen Klagen. Ähnlich geht es auch Internet-Providern. Sie sollen auf Zuruf den Zugriff auf angeblich illegale Inhalte blockieren. Mehr Details zu SOPA >>>

Boykott hat Erfolg

Dass Proteste gegen SOPA durchaus Erfolg haben können, zeigt der Fall des Website-Providers GoDaddy, den größten Domain-Registrar der Internet-Verwaltungsbehörde ICANN. Das Unternehmen stand ursprünglich auf der Liste der Unterstützer des Gesetzes. Ein erzürnter Aufschrei in der Internet-Gemeinde führte zu einem Boykott gegen den Anbieter. Binnen kürzester Zeit sollen zigtausende Nutzer ihre Konten bei GoDaddy geschlossen haben. Das Unternehmen selbst gibt nur zu, dass es "eine Spitze bei Domain-Namen-Transfers" gegeben habe, wie Cnet berichtet. Inzwischen hat sich GoDaddy dem Protest gebeugt und ist nun gegen SOPA.

(db)

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