Das Online-Lexikon nahm sein englischsprachiges Angebot für einen Tag aus dem Netz, und führt damit den Protest gegen zwei US-Gesetze gegen Online-Piraterie an.
New York/Wien/Ag./Auer. Aus Protest gegen zwei umstrittene Internet-Gesetze stellte das Online-Lexikon Wikipedia seinen Dienst für 24 Stunden komplett ein. Alle englischsprachigen Artikel waren vom „Blackout“ betroffen. Die deutsche Version der Seite blieb hingegen erreichbar. Damit schließt sich Wikipedia einer Reihe von US-Internet-Seiten an, die ihre Inhalte heute aus dem Netz nehmen wollen. Die meisten davon zeigten ihre Webseiten nur für wenige Stunden komplett schwarz. Google etwa bietet auf seiner englischsprachigen Startseite die Möglichkeit, dem US-Kongress eine Protest-Botschaft zu senden. Auch die Webseite des beliebten Blogger-Dienstes Wordpress steht ganz im Zeichen des Protests. Mozilla hat angekündigt, die Startseite der englischsprachigen Version seines Browsers Firefox für alle Nutzer vorübergehend zu schwärzen.
„Gefährlich für offenes Internet“
Grund für die Aufregung sind der „Stop Online Piracy Act“ (Sopa) und der „Protect IP Act“ (Pipa), zwei Gesetzesentwürfe, die sich gegen Online-Piraterie richten. Sie zielen vor allem auf Webseiten ab, die außerhalb der USA betrieben werden und urheberrechtlich geschützte Inhalte anbieten. US-Firmen wäre demnach künftig jede Zusammenarbeit mit diesen Seiten per Strafe verboten. Suchmaschinen müssten Links zu den Seiten ausblenden, Zahlungsdienstleister deren Konten einfrieren. Internet-Provider könnten gezwungen werden, den Zugang zu diesen Seiten zu sperren. In letzter Konsequenz wären US-Webdienste auch für alle Inhalte verantwortlich, die Nutzer auf ihren Seiten hochladene.
Nach Meinung von Wikipedia-Gründer Jimmy Wales gehen Sopa und Pipa zu weit: „Das ist eine ziemlich plumpe Gesetzgebung, die gefährlich für ein offenes Internet ist“, sagte er. Für Wikipedia könnte es deutlich schwerer werde, Informationen wie gehabt auszutauschen. Auch andere Webgrößen wie Google, eBay, Mozilla, Twitter, Facebook oder AOL haben sich bereits gegen die „Zensur-Gesetze“ ausgesprochen.
Weißes Haus lehnt Gesetze ab
Die Front der Befürworter bröckelt unterdessen. Am Wochenende stellte sich auch das Weiße Haus in einer Aussendung gegen die Vorschläge. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Gesetze in ihrer bisherigen Form Realität werden, sehr gering. Derzeit stehen die Verhandlungen über Sopa vorerst still. Ein für heute geplantes Kongress-Hearing wurde abgesagt. Der im US-Senat behandelte Pipa ist aber nach wie vor nicht vom Tisch.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2012)