ACTA: Die vergessenen Fesseln für das Internet

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Während US-Gesetze gegen Onlinepiraterie für globalen Protest sorgen, winkt die EU mit ACTA ein ähnliches Abkommen im Stillen durch. Österreich unterzeichnet es diese Woche.

Wien. Der heftige Widerstand der Internetkonzerne gegen geplante schärfere Urheberrechtsgesetze in den USA hat Wirkung gezeigt: Die strittigen Gesetzesentwürfe („SOPA“ und „PIPA“) liegen vorerst auf Eis. Auch Europas Öffentlichkeit hat den Streit aufmerksam verfolgt – und dabei fast verschlafen, dass in der EU mit ACTA gerade ein ähnliches Abkommen Realität wird: Gegner sehen in der internationalen Vereinbarung gegen Produktpiraterie nicht weniger als den großen Bruder der ungeliebten US-Gesetze.

ACTA soll klären, wie Unternehmen ihr geistiges Eigentum besser schützen können. Kritiker befürchten, dass so durch die Hintertür auch die Zensur ins Netz einziehen könnte. In Österreich hat ACTA den Ministerrat am Dienstag passiert. Noch diese Woche soll das Abkommen unterzeichnet werden, heißt es auf Anfrage der „Presse“ aus dem Wirtschaftsministerium. Viel Aufsehen will man hierzulande offenbar nicht erregen: Für die Republik die Feder schwingen soll Österreichs Botschafter in Japan.

EU-Fischereirat nickte ACTA ab

Den Ball flach halten – das gehört bei diesem Abkommen offenbar zum guten Ton. Seit 2007 verhandelte die EU mit zehn weiteren Staaten, darunter den USA und Japan, hinter verschlossenen Türen. Erst nach drei Jahren gab es, auf Druck der Öffentlichkeit, erste Informationen darüber, was darin enthalten sein soll. Seitdem ist es wieder ruhig geworden um ACTA. Am 16.Dezember des Vorjahres nickten die Minister im EU-Agrar- und Fischereirat das Handelsabkommen klammheimlich ab.

Erst im Sog der amerikanischen Protestwelle gegen Sopa und Pipa machen Bürgerrechtler auch diesseits des Atlantiks gegen das europäische Pendant mobil. In der Nacht auf Dienstag legte das Hackerkollektiv „AnonAustria“ aus Protest gegen ACTA unter anderem die Webseiten des Justiz-, Innen- und Wirtschaftsministeriums vorübergehend lahm. In Polen, das den Vertrag am Donnerstag unterzeichnen will, laufen ähnliche Aktionen seit dem Wochenende.

Die Kritik gleicht jener an den US-Gesetzen: Um die Verbreitung von Raubkopien im Internet einzudämmen, nimmt ACTA die Internetprovider stärker in die Pflicht. Diese fürchten, nun für die Inhalte ihrer Nutzer verantwortlich gemacht werden zu können und damit zur Zensur der eigenen Kunden gezwungen zu sein. Das, so die Argumentation, würde zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit im Internet führen.

Tatsächlich ist die vorliegende Version von ACTA in vielen strittigen Punkten bereits stark abgeschwächt. So müssen Provider ihren Nutzern auch dann nicht den Zugang zum Netz sperren, wenn diese zum dritten Mal beim illegalen Download urheberrechtlich geschützter Inhalte erwischt wurden. Länder wie Frankreich, die ein solches „Three-Strikes-out“-Modell bereits haben, können es aber beibehalten. Kritiker bemängeln vor allem, dass das Abkommen sehr allgemein formuliert ist. Der verbleibende Graubereich lasse zu viel Raum für Spekulation.

Gesetzesänderungen möglich

So ist derzeit etwa unklar, ob Österreich für die Ratifizierung des Abkommens auch Gesetze ändern muss. Die EU-Kommission hat das bisher stets ausgeschlossen. Das heimische Justizministerium prüft jedoch bereits, welche möglichen Änderungen beim Urheberrecht und beim Markenrecht nötig sein könnten, heißt es aus dem Ministerium. Auch weitere Änderungen seien möglich.

So sieht ACTA etwa vor, dass die Staatsanwaltschaft künftig auch auf Zuruf der Musik- und Filmindustrie tätig werden müsste. Heute können sie damit nicht rechnen.

Bevor ACTA tatsächlich in Kraft treten kann, muss noch das EU-Parlament zustimmen. Die Beratungen beginnen im Februar, abgestimmt wird vermutlich im Mai. Grüne und Liberale haben bereits angekündigt, das Abkommen vom EuGH überprüfen zu lassen.

Auf einen Blick

Acta steht für Anti-Counterfeiting Trade Agreement. Das Handelsabkommen zur Bekämpfung von Produktfälschungen und Urheberrechtsverletzungen soll in der EU, den USA sowie neun weiteren Ländern gelten.

Kritiker fürchten, dass durch die Hintertür Acta auch Zensur im Internet Einzug halten könnte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2012)

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