Das Wirtschaftsressort war Verhandlungsführerin bei Acta, das Justizministerium gab den Ton an, ein Diplomat unterschrieb. Verantwortlich fühlt sich jedoch niemand für Acta.
Wien/Cu/Awe. Irgendwie dabei waren fast alle österreichischen Ministerien, doch verantwortlich fühlt sich niemand für Acta. Unterzeichnet hat das Abkommen ein Diplomat: Thomas Loibl, Geschäftsträger der Botschaft in Tokio, setzte am 26. Jänner 2012 in Tokio seine Unterschrift unter das multilaterale Handelsabkommen zum Schutz gegen Produktpiraterie. Grünes Licht hatte ihm ein, zwei Tage zuvor der Ministerrat auf Antrag des Außenamts erteilt.
Warum in Tokio? Dort hatten Japan, Australien, Kanada, Marokko, Neuseeland, Singapur, Südkorea und die USA das Abkommen am 1. Oktober 2011 zum ersten Mal unterfertigt. Heuer folgten die Unterschriften der EU sowie von 22 Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich.
Von 2007 bis 2010 wurde um Acta gerungen. Verhandlungsführer war von österreichischer Seite nicht das Außen-, sondern das Wirtschaftsministerium. Eine Beamtin nahm in Brüssel an Sitzungen einer Arbeitsgruppe teil, in denen die EU-Mitglieder ihre Positionen koordinierten. Doch es wird noch komplizierter: Der EU-Rat trat das Verhandlungsmandat an die Kommission ab, die in elf Runden mit den USA, Japan und anderen Staaten um das Abkommen feilschte. Bei diesen Sessionen waren immer auch sechs bis acht Vertreter von EU-Mitgliedern dabei, manchmal auch Österreich. Das Wirtschaftsressort hatte die Aufgabe, Stellungnahmen aus anderen Ministerien einzuholen. Inhaltlich tonangebend war das Justizministerium, vor allem beim Urheberrecht. Als der Protest gegen Acta losbrach, herrschte in Wien das große Schweigen. Ein Ministerium schob dem anderen die heiße Kartoffel zu. Zu Wort meldete sich dann Staatssekretär Wolfgang Waldner per Twitter aus dem Urlaub. Er empfahl eine Neuverhandlung. Auf Nachfrage bezeichnete seine Sprecherin dies als „Privatmeinung“. Diese Naivität brachte ihm einen Rüffel im Außenamt ein, das sich bei der heiklen Materie im Hintergrund halten wollte.
Übernehmen soll die Kommunikation künftig das Wirtschaftsressort. Inhaltlich setzt das Justizministerium die Akzente. Beim Urheberrecht mache Acta gar keine gesetzlichen Änderungen in Österreich nötig. Die Ängste der User seien unbegründet, hieß es auf Anfrage der „Presse“. Trotzdem treibt Acta auch in Österreich Aktivisten auf die Straße. Für heute, Samstag, sind Demos in Wien, Graz, Linz, Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt und Bregenz geplant.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2012)