Die dunkle Seite des Facebook-Hypes

Die Internet-Ökonomie gebiert gerade eine Reihe von globalen Monopolen, auf die Wirtschaftspolitiker und Ökonomen noch keine brauchbare Antwort wissen.

Eigentlich ist der hochgehypte Facebook-Börsengang „Business as usual“: Die Millionärsquote im kalifornischen Palo Alto ist gestern stark gestiegen, eine Reihe von Investmentbanken und Großanlegern, die ihre zu 38 Dollar zugeteilten Aktien gleich wieder auf den Markt geworfen haben, hat einen netten, aber kleinen Kurzfristschnitt gemacht, und jene Anleger, die gestern an der Börse zugekauft haben, werden sich wohl bald zu fragen beginnen, ob 115 Dollar pro Facebook-Nutzer wirklich eine seriöse Börsenbewertung war. Das alles kennt man von anderen Tech-Börsengängen auch.

Weil das Getöse um die Frage, ob Facebook jetzt 90 oder doch 106 Milliarden Dollar „wert“ ist, so laut gerät, sieht niemand ein Problem, das mit Facebook auch in den Scheinwerferkegel kommt: Die Internet-Ökonomie gebiert gerade an allen Wettbewerbs- und Kartellgesetzen vorbei eine Reihe von globalen Quasimonopolen, auf die weder die Wirtschaftspolitik noch die Wirtschaftswissenschaften bisher eine halbwegs vernünftige Antwort wissen. Manchmal hat man den Eindruck: gar nicht wissen wollen, weil sie die systemgefährdende Sprengkraft der Entwicklung (noch) nicht bemerken.

Wir reden hier von der in den vergangenen Jahrzehnten zweifellos überlegenen Marktwirtschaft, die zum Funktionieren Wettbewerb benötigt. Monopole, die Wettbewerb ausschalten oder stark reduzieren, sind demnach die größten Feinde dieser Marktwirtschaft. Weil der preisdämpfende Effekt des Wettbewerbs nicht mehr funktioniert, gelten sie allgemein als wohlstandsdämpfend.

Dass dem marktwirtschaftlichen System der Drang zu Konzentration und Monopolisierung inhärent ist, hat einer der berühmtesten „Presse“-Korrespondenten, Karl Marx, schon im vorvorigen Jahrhundert ganz richtig festgestellt. Dass seine Jünger den verhassten „Monopolkapitalismus“ mit ihrem Staatsmonopolkapitalismus à la Sowjetunion auszuhebeln versuchten, war dann vielleicht nicht die beste Idee, wie die Geschichte gezeigt hat. Da waren die „Kapitalisten“ schon geschickter, indem sie preissetzende Marktbeherrschung mithilfe von strengen Antikartellgesetzen und Wettbewerbsregelungen zu verhindern suchten.

Das ist im Prinzip natürlich problematisch, weil dadurch außerordentliche unternehmerische Tüchtigkeit bestraft wird – scheint aber dennoch das kleinere Übel zu sein. Ist Wettbewerb nämlich erst einmal durch Monopolisierung ausgeschaltet, dann lässt er sich nur schwer wiederherstellen. So, wie man Demokratie zwar auf demokratischem Weg locker abschaffen, aber nur schwer wieder installieren kann.

In der „Old Economy“ hat diese Wettbewerbssicherung durch Antimonopolbestimmungen bisher halbwegs funktioniert. In der Internet-Ökonomie tut sie das nicht. Denn diese tickt grundlegend anders: Da kommt es einzig darauf an, möglichst schnell auf globaler Ebene „kritische Masse“ zu erreichen, um dann globale Standards setzen zu können. Das geschafft zu haben ist das Erfolgsgeheimnis von Unternehmen wie Microsoft, Apple, Amazon, Google, Facebook, und wie sie alle heißen.


Die Konkurrenz, die hier tobt, ist also im Wesentlichen ein globaler Geschwindigkeitswettbewerb, auf den die national organisierten alten Wettbewerbsbehörden keine Antwort wissen. Die Hilflosigkeit, mit der die EU-Behörden etwa den jüngsten Datendurchstechereien von Google und Facebook gegenüberstehen, zeigt ganz deutlich, wo hier der Bartl den Most holt.

Hier entstehen Machtkonzentrationen, die uns wohl noch zu „kiefeln“ geben werden. Der nächste nach Weltherrschaft strebende Filmbösewicht wäre jedenfalls besser beraten, sich die Kontrolle über die Datenkraken Google und Facebook zu sichern, statt sich Raketen und Atombomben zu krallen.

Da braut sich etwas zusammen – beinahe unbemerkt von Wirtschaftspolitikern und Ökonomen. Letztere streiten ja noch immer ganz ausgiebig darüber, welche ökonomische Schule aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die besseren Lösungen für alte Probleme bietet. Statt sich um die Herausforderungen der ökonomischen Landschaft des 21. Jahrhunderts zu kümmern.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2012)

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