Börse bereitete Facebook einen kühlen Empfang

(c) EPA (ANDREW GOMBERT)
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Die Facebook-Aktien schrammten haarscharf am Flop vorbei. Der Kurs fiel von 42 auf 38,23 Dollar. Ist die Firma wirklich 100 Milliarden Dollar wert, oder steht die nächste Internet-Blase vor der Tür?

Wer gehofft hat, dass Mark Zuckerberg persönlich im Kapuzenpulli den Börsengang von Facebook einläuten wird, wurde enttäuscht. Der Facebook-Gründer schwänzte den Rummel an der New Yorker Technologiebörse Nasdaq. Reich wurde er am gestrigen Freitag auch am Firmensitz in der „Hacker Street 1“ im kalifornischen Menlo Park.

421,2 Millionen Facebook-Aktien zu je 38 US-Dollar wechselten die Besitzer. Zuckerberg selbst verkaufte 30 Millionen Aktien und konnte wenige Minuten später ein Vermögen von über einer Milliarde Dollar sein Eigen nennen. An der Börse schrammten die Aktien danach aber haarscharf am Flop vorbei: Vorbörslich auf bis zu 65 Dollar geklettert, eröffneten sie offiziell mit nur 42 Dollar. Bis Börsenschluss fiel der Kurs wieder bis knapp über den Ausgabewert – auf 38,23 Dollar.

Was bleibt nun, wenn der erste Börsentag verflogen ist? Ist das acht Jahre junge Unternehmen tatsächlich über hundert Milliarden Dollar wert? 28-mal so viel, wie es derzeit im Jahr Umsatz erwirtschaftet? Oder haben der Jungmilliardär und seine frühen Geldgeber doch eine Blase aufgepumpt, um letztlich damit Kasse zu machen?

Die Grenzen des Wachstums

Vieles spricht dafür. Allein die Tatsache, dass Investoren wie etwa Goldman Sachs in letzter Minute beschlossen haben, deutlich mehr Anteile an die Börse zu bringen, sollte stutzig machen. Das deutet nämlich darauf hin, dass die Wachstumsaussichten des weltgrößten digitalen Netzwerks ihren Zenit erreicht haben. Tatsächlich ist Facebook verwundbarer, als es auf den ersten Blick aussieht.

Der Konzern sammelt zwar Mitglieder sowie Daten in rasantem Tempo und verkauft sie um gutes Geld an die Werbewirtschaft. Allerdings mit einer Unbekümmertheit, die Datenschützer in Rage bringt – und letztlich auch Nutzer vergraulen könnte. Nur wenige Tage vor dem Börsengang kündigte Facebook erneut eine Änderung seiner Datenschutzrichtlinien an. Künftig will der Konzern die Daten der Mitglieder nicht mehr nach 180Tagen löschen, sondern so lange nutzen, wie er will. Kritiker sprechen von einer Enteignung der Nutzer. Diese aber kümmert das wenig. Für mehr als die Hälfte der 901 Millionen Mitglieder gehört das Netzwerk zur täglichen Routine. Facebook hat sich zu einer Art Fernsehkanal entwickelt, auf dem digitale Freunde das Programm machen. Auch Firmen sind herzlich eingeladen, im ewigen Strom der Statusmeldungen aufzutauchen, sich den potenziellen Kunden als Online-Bekanntschaft anzubiedern. Gegen Bezahlung versteht sich. 2011 sorgten die Werbeeinnahmen für 85 Prozent des 3,2 Milliarden starken Umsatzes.

Grafik: Die Presse

Mit dem rasanten Wachstum ist es aber vorbei. Im ersten Quartal 2012 waren die Werbegelder rückläufig. Auch der Erfolg der Kampagnen wird bezweifelt. Von tausend Menschen, die eine Anzeige auf Facebook sehen, klicken gerade einmal vier darauf, errechnete TBG Digital. Tendenz fallend. Wer via Smartphone ins Netzwerk einsteigt, bleibt von Werbung überhaupt verschont – und bringt Facebook damit keinen Cent.

Facebooks „Freunde“ floppen an der Börse

Indizien, dass Mark Zuckerberg seine Firma auf dem Zenit der „Social-Media-Blase“ zu Geld macht, bietet auch der Blick auf die Kursentwicklung der Internet-Firmen, die mit dem Rückenwind von Facebook an die Börse vorausgeeilt sind (siehe Grafik). Wer beim Börsengang des Spieleentwicklers Zynga oder des Internet-Radios Pandora zugegriffen hatte, musste herbe Verluste einstecken.

Zugegeben, Facebook ist eine Nummer größer und wird nicht so schnell untergehen. Ob es aber zum erhofften Höhenflug ansetzen kann, wird davon abhängen, ob sich die Mitglieder weiter im Netz des Jungmilliardärs wohlfühlen. Das wiederum hängt davon ab, wie sehr sich Facebook unter dem Druck der Aktionäre verändern wird. Eine zusätzliche Einnahmequelle testet das Netzwerk in Neuseeland. Mit der Funktion „Highlight“ können Nutzer für ein paar Dollar dafür sorgen, dass ihre Statusmeldungen nicht mehr im Meer der Nachrichten untergehen. Ein Tabubruch. Bisher waren alle Funktionen für Private stets kostenfrei.

Mark Zuckerberg wird die Grenze suchen, bis zu der er immer mehr von seinen Nutzern verlangen kann, ohne sie zu vertreiben. Eines sollte ihm zu denken geben: Ein Trend zur Trennung lässt sich auch auf Facebook beobachten. 2011 haben 69 Prozent der Mitglieder Facebook-Freunde wieder „entfreundet“. Deutlich mehr als im Jahr zuvor.

Zur Person

Mark Zuckerberg wurde am 14. Mai 1984 in New York als Sohn eines Zahnarztes und einer Psychologin geboren. Facebook gründete er zusammen mit Kommilitonen 2004 während seiner Studienzeit in Harvard (das Studium brach er ab). Seither zerstritt sich „Zuck“, wie ihn seine Freunde nennen, jedoch mit einigen von ihnen wieder – verewigt wurde dies 2010 im Film „The Social Network“. In diesem Jahr wurde er von „Time“ auch zur „Person des Jahres“ gewählt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2012)

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