Kampf um Datenschutz: Sieg für Wiener Kritiker

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Tausende Nutzer lehnen Facebooks neuen Richtlinien-Vorschlag ab und unterstützen eine Alternative. Nun müssen 900 Millionen darüber abstimmen.

Wien. Wem gehören all die Informationen, die auf Facebooks Servern lagern? Den Menschen, die sie hochgeladen haben, oder doch dem Dienstanbieter? Um diese Frage streiten sich Datenschützer schon seit Jahren mit dem sozialen Netzwerk. Die dem Portal kritisch gegenüberstehende Wiener Studentengruppe „europe-v-facebook“ hat nun einen wichtigen Etappensieg erzielt.

Facebook hatte am Montag einen Vorschlag für eine neue Datenschutzrichtlinie präsentiert. Nutzer durften dazu bis Samstag um zwei Uhr früh Änderungswünsche deponieren. Die Kritiker hatten unter „our-policy.org“ aufgefordert, ein alternatives Dokument zu unterstützen. Nach Facebooks Regeln muss über Forderungen abgestimmt werden, wenn mehr als 7000 Kommentare dafür abgeliefert werden. Allein unter der deutschsprachigen Variante wurden mehr als 33.000 Kommentare hinterlassen, der Großteil davon forderte die Behandlung der Vorschläge der Wiener Studenten.

Doch warum stemmen sich die Kritiker so gegen die neue Richtlinie? Max Schrems, Sprecher der Gruppe, erklärt es im Gespräch mit der „Presse“ so: „Facebook versucht mit der neuen Richtlinie, die von uns beanstandeten Punkte weißzuwaschen.“ Konkret geht es etwa um das Löschen von Daten. Facebook hätte bisher selbst dann nicht alles gelöscht, wenn Nutzer ihr Konto aufgelöst hätten. Die neue Richtlinie würde das legalisieren, fürchtet Schrems.

Noch schlimmer wiegt in seinen Augen aber, dass sich Facebook nun als „Controller“ der Daten bezeichnet. Der Jusstudent zitiert dazu die europäische Datenschutzrichtlinie (95/46/EG). Dort wird damit jene natürliche oder juristische Person bezeichnet, die „über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet“. Für Schrems stellt das eine stille Enteignung der Nutzer dar. Facebook widerspricht dieser Interpretation.

Im Visier der Behörden

Dass Facebook seine Richtlinien überhaupt ändert, liegt daran, dass die irische Datenschutzbehörde mehrere Punkte bemängelt hat. Sie ist zuständig, da das Portal seine europäischen Server in Irland betreibt. Neben dem Löschen wird auch die Gesichtserkennung kritisiert. Für die Studentengruppe, die Beschwerde bei der irischen Behörde eingelegt hatte, ist es ein Teilerfolg, dass das mächtige US-Netzwerk überhaupt seine Richtlinien anpasst.

Besteht überhaupt noch Grund zur Sorge, wenn ohnehin zigtausende Nutzer für die Vorschläge auf „our-policy.org“ gestimmt haben? Facebook ist noch lange nicht zu deren Umsetzung gezwungen. Nun müssen alle 900 Millionen Mitglieder des Netzwerks darüber abstimmen. Wie das gemacht werden soll, ist noch ungeklärt.

Bindend wird das Ergebnis für das Unternehmen nur, wenn mindestens 30 Prozent seiner Nutzer (also 270 Millionen Menschen) an der Abstimmung teilnehmen. Der streitbare Schrems ist skeptisch, ob es gelingt, das Quorum zu erreichen. Was dann passiert, ist für ihn klar: „Facebook wird einfach machen, was es will.“ Dass für ihn dann der Kampf für mehr Datenschutz vorbei ist, kann aber ausgeschlossen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2012)

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