„Verteidige dein Netz“: Wie Google in Deutschland für sich Stimmung macht

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Sollen Suchmaschinenbetreiber eine Gebühr an Verlage zahlen? Die Diskussion wird in Deutschland zurzeit ziemlich aggressiv geführt. Google hat pünktlich vor der Bundestagsdebatte eine große Kampagne gestartet.

Es sind plastische Vergleiche, die sich die Streitparteien an den Kopf werfen: Für den deutschen Bundesverband der Zeitungsverleger ist das, was Suchmaschinenbetreiber wie Google mit den Texten von Verlagen tun, eine Art Ladendiebstahl im Netz. Dabei sieht sich Google vielmehr als engagierter Taxifahrer, der massenhaft Kunden in ein gut gehendes Restaurant chauffiert und sich wundert, wieso das Restaurant für diesen Dienst Geld verlangt.

Zwei konträre Sichtweisen aus der Diskussion, die die deutsche Verlags- und Internetbranche derzeit führt. Grund der Debatte: Die deutsche Bundesregierung will, wie schon 2009 in ihrem Koalitionsabkommen angekündigt, ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage (abgekürzt LSR) einführen – verständlicher gesagt: Suchmaschinenbetreiber sollen künftig eine Gebühr an alle Verlage zahlen, wenn sie deren journalistische Inhalte verlinken. Heute, Donnerstag, wird im Bundestag über den Gesetzesentwurf debattiert. Dass die Politik überhaupt über so eine Regelung nachdenkt, ist für Kritiker ein Verdienst von mächtigen Verlagen wie Axel Springer, die bei der Bundesregierung lobbyiert haben sollen.

Unterschriftenaktion im Netz

Pünktlich vor der Bundestagsdebatte hat Google am Dienstag eine große Kampagne gestartet: Mit dem Slogan „Verteidige dein Netz. Finde weiterhin, was du suchst“ scheucht der Konzern auf einer eigenen Website nun die Internetnutzer auf und warnt vor dem Gesetz, als würde es die Freiheit des unbegrenzten Surfens und die Informationsvielfalt beeinträchtigen. Die User werden aufgefordert, eine Unterschriftenliste zu unterschreiben und sich per Mail oder telefonisch an die Abgeordneten in ihrem Wahlkreis zu wenden. Damit wolle man das Thema ins Bewusstsein der breiten Bevölkerung bringen.

Kommentatoren in deutschen Zeitungen reagierten verschnupft: Der Weltkonzern würde hier „seine Marktmacht nutzen, um den Gesetzgeber zu drangsalieren“ (©„Süddeutsche“) und „das eigene Interesse als dasjenige der Allgemeinheit ausgeben“ (©„FAZ“). Und die deutsche Justizministerin unterstreicht mit ihrem Spruch „Es gibt auch andere Suchanbieter als Google“ indirekt, wie wenig sie von der Kampagne hält. Tatsächlich ist Google derzeit so mächtig, dass es für viele Nutzer fast schon zum Synonym für „das Internet“ geworden ist.

Dass der Bundestag das Lizenzgesetz in der Nacht auf Freitag zwischen zwei und drei Uhr Früh debattieren wird, interpretieren Beobachter schon wieder so, dass der Bundesregierung langsam dämmern dürfte, welches Pulverfass sie mit diesem Gesetzesvorhaben öffnet.

Keine Kampagne in Österreich geplant

Auch in Österreich wird ein solches Gesetz zaghaft diskutiert und vom Justizministerium geprüft. Die Verleger fordern zusätzlich die Einführung einer Abgabe auf Werbung im Internet und damit auch auf Suchmaschinenseiten. Eine Kampagne wie die der deutschen Kollegen sei derzeit „nicht geplant“, sagt Wolfgang Fasching-Kapfenberger, der Sprecher von Google Österreich – und wenn man ihm glaubt, wird sie nie kommen. Denn er sagt, man wolle die Debatte mit den Verlegern hierzulande nicht so eskalieren lassen wie beim nördlichen Nachbarn. Dennoch ist Fasching „prinzipiell überrascht, wenn Verleger mehr Steuern fordern, noch dazu welche, die sie auch selbst treffen werden“.

In Deutschland meldete sich am Mittwoch auch die Wissenschaft zu Wort. Immaterialgüterrechtsexperten des Max-Planck-Instituts erklärten den Regierungsentwurf für das neue Gesetz in einer Stellungnahme als „nicht durchdacht“ und wunderten sich, warum er überhaupt vorgelegt wurde. Schließlich sei er bei einer Anhörung im Juni 2010 bereits einhellig abgelehnt worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2012)

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