Vorratsdaten: Mögliche Ausweitung auf Urheberrecht rückt näher

Vorratsdaten: Ausweitung auf Urheberrecht steht bevor
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In wenigen Tagen werden Interessenvertreter über eine Novelle des Urheberrechts diskutieren. Bürgerrechtler sind alarmiert. Auch die Festplattenabgabe soll behandelt werden.

Am 11. Dezember könnten Interessenvertreter zusammen mit dem Justizministerium über eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung auf Urheberrechtsverletzungen diskutieren. Wie die AKVorrat berichtet, wurde eine Beteiligung von "VertreterInnen der Zivilgesellschaft" abgelehnt. Es seien bereits zu viele Teilnehmer bei der Diskussion des entsprechenden Gesetzesvorschlags dabei. "Ich verstehe, dass sich einzelne Organisationen ärgern", sagt BMJ-Sprecher Christian Wigand. Es seien aber nicht nur Verwertungsgesellschaften eingeladen, sondern etwa auch die Arbeiterkammer. Insgesamt sollen um die 30 Organisationen beteiligt sein - eine genaue Teilnehmerliste wird nicht veröffentlicht. Dennoch sind die Kritiker der Überwachungsmaßnahme über das Ergebnis der Diskussion besorgt.

Noch kein Entwurf, nur Arbeitspapiere

Das Justizministerium bestreitet die Behauptungen der AKVorrat, dass es bereits einen Gesetzesentwurf für eine Urheberrechtsgesetz-Novelle gebe. Die ins Netz gesickerten Arbeitspapiere (hier mit Erläuterungen) seien genau das: reine Arbeitspapiere und davon würde es mehrere geben, erklärt Wigand auf Anfrage von DiePresse.com.

Bestritten wird auch, dass Sektionschef Christian Pilnacek im Rahmen des Expertenhearings zur Vorratsdatenspeicherung im Justizausschuss am 28. November die Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung auf Urheberrechtsverletzungen betätigt habe. Christof Tschohl von AKVorrat, der bei dem Hearing anwesend war, widerspricht. Zwar habe Pilnacek das Wort Vorratsdaten nie in den Mund genommen, sehr wohl sei aber von "Speicherung der Zugangsdaten" die Rede gewesen.

In der Langfassung des Berichts der Parlamentskorrespondenz über das Hearing wird bestätigt, dass das Justizministerium "an einem Gesetzentwurf zur besseren Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen arbeite". Es sei notwendig, "den Namen und die Adresse eines Rechtsverletzers bei Zivilrechtsklagen zu erhalten", wird Pilnacek darin zitiert. Für Tschohl ist klar, dass bei Verletzungen im Internet nur über die IP-Adressen an Namen und Adresse herangekommen werden kann. "Und dann ist man schnell bei Vorratsdaten", sagt Tschohl.

Auch Festplattenabgabe am Programm

Die Einladung zu der "Diskussion über eine mögliche Novelle des Urheberrechts" beinhaltet noch weitere, möglicherweise brisante Themen. Neben Punkt 9, "Rechtsdurchsetzung – Auskunftsanspruch gegen Provider, Begrenzung von Abmahnkosten", wo die Vorratsdatenspeicherung mit einfließen könnte, sind auch die von Rechteverwertern stark geforderte Festplattenabgabe als Punkt 7 enthalten: "Leerkassetten- und Reprografievergütung – Einbeziehung von PC und Speicherplatten". Hinzu kommt noch Punkt 10, "Leistungsschutz für Presseverleger", ein Thema, das derzeit in Deutschland für Zwist zwischen den Verlagen und Firmen wie Google sorgt.

106.067 unterschrieben gegen Vorratsdaten

Für die Bürgerrechtsorganisation, die sich gegen eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung ausspricht, ist der Ausschluss von der Diskussion unverständlich. "Es kann nicht sein, dass die Bedenken von 106.067 ÖsterreicherInnen nicht nur ignoriert werden, sondern die Vorratsdatenspeicherung darüber hinaus auch noch ausgeweitet werden soll", sagt Andreas Krisch von AKVorrat. Die Unterschriften wurden über die Bürgerinitiative zeichnemit.at gesammelt. Die Petition wurde im Justizausschuss am 28. November behandelt. Die Regierungsparteien halten aber weiterhin an der scharf kritisierten Überwachungsmaßnahme fest.

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Besonders bitter stößt den Zeichnemit-Initiatoren von AKVorrat auf, dass die Vorratsdatenspeicherung als "Anti-Terrormaßnahme verkauft" wurde und nun auf weitere Bereiche ausgedehnt werden soll. Es wird befürchtet, dass damit "die Profite der Unterhaltungsindustrie geschützt werden", sagt Thomas Lohninger, ebenfalls von AKVorrat.

Irgendwann Handy-Ortung für Scheidungsfälle

Für Tschohl wäre eine Gesetzesnovelle, die Auskünfte über Vorratsdaten auf den Zivilrechtsbereich ausdehnt, ein "Dammbruch". Denn man könne im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes nicht nur Urheberrechtsverletzungen integrieren. Er spinnt den Gedanken weiter: "Dann landet man irgendwann beim Scheidungsprozess, wo über Standortdaten des Handys bewiesen werden soll, ob jemand untreu war."

Musiklobby will seit Jahren Überwachung

Die geplante Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung lässt Erinnerungen an Aussagen eines Anwalts der Musikindustrie wach werden. Dieser hatte 2007 behauptet, dass gesellschaftlich geächtete Delikte wie Kinderpornografie "großartig" seien, da man Politiker damit dazu bringen könne, Netzsperren und Überwachungsmaßnahmen einzuführen. Sobald diese einmal eingesetzt sind, sei eine Ausweitung deutlich einfacher. Kritiker der Vorratsdatenspeicherung hatten von Anfang an befürchtet, dass die Maßnahme mittelfristig nicht mehr nur für Delikte genutzt wird, für die eine Strafandrohung von mindestens zwei Jahren besteht.

Verfassungsbeschwerde und 188 Abfragen

Gleichzeitig mit der Petition wurde auch eine Verfassungsbeschwerde gegen die im April diesen Jahres eingeführte Vorratsdatenspeicherung beim Verfassungsgerichtshof eingelegt. 11.139 Menschen haben sich dieser Maßnahme im Juni angeschlossen. Ende November wurde bekannt, dass bisher 188 Behördenabfragen auf Vorratsdaten getätigt wurden. Davon führten lediglich 19 zu einer Klärung der jeweiligen Fälle.

(db)

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