Vorratsdaten könnten EU-Grundrechte verletzen

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Die österreichischen Höchstrichter wollen von der Europäischen Union Klarheit über die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. VfGH-Präsident Gerhart Holzinger erhofft sich eine rasche Beantwortung der Fragen.

Wien/I.b./Db. Verstößt die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gegen das Grundrecht auf Datenschutz? Diese Frage stellt sich der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH). Da das Recht auf Datenschutz in der EU-Grundrechtscharta festgeschrieben ist, leitet er die Frage gleich weiter – zum Europäischen Gerichtshof (EuGH). In einem dreißigseitigen Fragenkatalog fassten die österreichischen Höchstrichter ihre Zweifel an der Regelung zur Vorratsdatenspeicherung zusammen.

VfGH-Präsident Gerhart Holzinger erhofft sich eine rasche Beantwortung der Fragen, durchschnittlich könne man aber mit 16 Monaten Wartezeit rechnen. Sollte der EuGH tatsächlich einen Widerspruch zwischen Datenschutz und Vorratsdatenspeicherung erkennen, müsste er die Richtlinie für ungültig erklären.

Der Hintergrund: Die EU-Grundrechtscharta garantiert, dass jede Person das Recht auf Schutz der eigenen Daten hat. Gleichzeitig wurde aber im Jahre 2006 die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verabschiedet. In Österreich ist sie seit April 2012 in Kraft. Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) wehrte sich lange dagegen. Erst als eine Millionenstrafe wegen Nichtumsetzung der Regeln drohte, wurden die Gesetzesvorlagen eingebracht.

Sechs Monate lang gespeichert

Von der Speicherung sind sämtliche Kommunikationsvorgänge via Telefon, Handy und die Übertragung von Daten über das Internet einschließlich E-Mail betroffen. Sechs Monate werden diese Informationen gespeichert. Für die Praxis bedeutet das: Bei Gesprächen werden etwa die Telefonnummern sowie Zeitpunkt, Dauer und Standort des Anrufenden gespeichert – die Inhalte allerdings nicht. Auf all diese Daten können Ermittlungsbehörden bei Verdacht zugreifen. Eingeführt wurde diese Regelung aus Angst vor neuen Terroranschlägen, durch die Datensammlung sollen Straftaten ermittelt und verfolgt werden.

Genau hier liegt das vom VfGH angesprochene Problem: Die Vorratsdatenspeicherung betreffe „fast ausschließlich Personen, die keinen Anlass für die Datenspeicherung gegeben haben“. Mit den ermittelten Daten seien die Behörden über deren privates Verhalten informiert. Außerdem sei das Missbrauchsrisiko bei einer solchen Datenmenge sehr hoch.

Hans Zeger, Obmann von Arge-Daten, begrüßt die Entscheidung des VfGH. Sie sei ein „überfälliger“ Schritt in die richtige Richtung. „Nach allen bisherigen Erfahrungen fürchte ich aber, dass es zu keiner Aufhebung kommt – zumindest zu keiner völligen“, sagt Zeger. Einzelne Punkte könnten aber genauer ausformuliert werden müssen. Etwa die Straftaten, für deren Bekämpfung man Vorratsdaten nutzen könne.

In der jetzigen Version der Regelung finde man dazu nur unbestimmte Definitionen. Auch die Sicherheitsbestimmungen könnten verschärft werden. Es könnte so geregelt werden, dass die vorliegenden Daten nur bei bestimmten Vorfällen genutzt und für eine Weile nicht gelöscht werden. So werde es etwa in den USA gehandhabt. Diesen „Quick Freeze“ würde auch der Verband der Österreichischen Internetprovider (ISPA) der Vorratsdatenspeicherung vorziehen, erklärt deren Generalsekretär Maximilian Schubert. „So kreativ schätze ich den EuGh nicht ein“, meint aber Zeger. Schubert lobt die VfGH-Entscheidung und warnt vor „Begehrlichkeiten“, die immer dann geweckt würden, wenn Datenpools vorhanden sind.

Auf einen Blick

Die Vorratsdatenspeicherung gibt es in Österreich seit April 2012. Seitdem werden Daten rund um die Kommunikation via Handy und Internet für sechs Monate gespeichert. Der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) befürchtet, dass dies gegen das Recht auf Datenschutz, das in der EU-Grundrechtecharta verankert ist, verstößt. Deswegen schaltete er den Europäischen Gerichtshof ein, der dies überprüfen soll. Hat der VfGH recht, wird die Regelung für ungültig erklärt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2012)

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