„Facebook verletzte jeden Paragrafen“

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bdquoFacebook verletzte jeden Paragrafenldquo(c) REUTERS (VALENTIN FLAURAUD)
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EU-Datenschutzreform. Aktivist Max Schrems fordert eine Einigung auf einheitliche Regeln. Die irische Datenschutzbehörde reagierte kaum auf seine Anzeigen gegen Facebook.

Wien. „Wer persönliche Daten in sozialen Netzwerken wie Facebook preisgibt, ist selbst schuld“ – so lautet ein bekanntes Argument jener, die die Aufregung um die massive Weitergabe personenbezogener Daten durch Internetkonzerne nicht nachvollziehen können. Max Schrems, Initiator der Studentengruppe „europe-v-facebook“, will das zwar nicht bestreiten. Er geht aber noch weiter: Onlinedienste wie Facebook erstellen auch Profile über Personen, die sich dort gar nicht registriert haben, erläuterte er am gestrigen Freitag bei einem Seminar in Wien.

Warum Schrems ein einheitliches europäisches Datenschutzpaket für nötig hält, liegt auf der Hand: „Es gibt keinen Rechtsbereich, wo Theorie und Praxis so weit auseinanderliegen wie beim Datenschutz“, sagt er. Die aktuell gültige Richtlinie der EU stammt aus dem Jahr 1995, als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte. Jedem Staat ist die Auslegung selbst überlassen. Große Unternehmen, vor allem im digitalen Bereich, können sich daher aussuchen, nach welchem Recht sie agieren wollen. Das ist bekanntermaßen in vielen Fällen Irland: einerseits aus steuerlichen Gründen, andererseits, weil dort die geltende EU-Richtlinie besonders schwach umgesetzt wurde.

Auch Facebook hat seinen Hauptsitz auf der Grünen Insel, für die Einhaltung der Vorschriften ist die verhältnismäßig kleine irische Datenschutzbehörde zuständig. „Europe-v-facebook“ hat in den vergangenen zwei Jahren insgesamt 22 Klagen gegen Facebook wegen „unzähliger Verstöße gegen europäisches Recht“ bei der Behörde eingebracht. „Das Unternehmen hat jeden Paragrafen mindestens einmal verletzt“, meint Schrems. So würden etwa einmal vom Nutzer eingegebene Daten auch nach Anklicken des „Entfernen“-Buttons gespeichert und die Informationen für eigene Zwecke verwendet. Dabei handelt es sich etwa um Postings, Chat-Nachrichten und Markierungen auf Bildern. Aber auch das Löschen von Freunden oder Freundesanfragen bleibe für die Betreiber sichtbar.

Facebook könne aber auch Daten ausrechnen, ohne dass der Nutzer diese überhaupt bewusst eingibt. Über iPhone oder Mail-Import würden die Informationen abgesaugt. Zudem wisse das System mittels häufig verwendeter IP-Adressen, wo sich ein Nutzer aufhält. Doch auch über Personen, die gar nicht Mitglieder sind, könne das Unternehmen über ein kompliziertes Zusammenspiel von Daten Informationen filtern und sogenannte „Schattenprofile“ erstellen. Bisher hat die irische Datenschutzbehörde auf die Anzeigen von „europe-v-facebook“ lediglich mit „unverbindlichen Berichten“ reagiert, wie Schrems erläuterte. Eine rechtlich verbindliche Entscheidung steht aus. „Das ist in einem entwickelten Staat mitten in der EU ein Skandal“, meint der Aktivist. Aber: „Natürlich verdienen die Iren nicht schlecht an der Ansiedlung großer Konzerne.“

Einheitliche Rechtsgrundlage

Mit Inkrafttreten eines europaweit einheitlichen Datenschutzpakets sollen sich diese Missstände verbessern. Der Kommissionsentwurf sieht ernsthafte Strafen, eine direkte Klagemöglichkeit und vor allem eine einheitliche Rechtsgrundlage vor. Auch das „Recht auf Vergessenwerden“ im Internet ist Teil des Papiers. Derzeit wird der Vorschlag im EU-Parlament und im Rat verhandelt. Noch in dieser Legislaturperiode – also bis Mai 2014 – soll es nach dem frommen Wunsch der Akteure eine Einigung geben. NSa-Spionage Seiten 1,2,3

Auf einen Blick

Ein einheitliches europäisches Datenschutzpaket soll nach Wunsch der Kommission schon bald auf den Weg gebracht werden. Derzeit wird der Vorschlag der Behörde in Rat und EU-Parlament diskutiert, eine Einigung ist noch vor den Wahlen im Frühjahr 2014 vorgesehen. Das jetzige Recht stammt aus dem Jahr 1995.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2013)

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