Maschinenraum

Fotografie. Je opulenter und intelligenter die Technik, desto wichtiger die Kategorie »Look & Feel«.

Volle Kraft voraus
durch die Technikwelt

Diepresse.com/Spielzeug

Reden wir einmal über Haptik. Man könnte meinen, es wäre ein banales Thema, wie sich etwas angreift und anfühlt – aber natürlich ist es das nicht. Im Gegenteil. Bei Kameras etwa neige ich der Meinung zu, dass es nur mehr bedingt die Leistungsdaten sind oder die Features eines Geräts, die konsumentenseitig den Daumen nach oben oder unten gehen lassen, bildlich gesprochen. Denn digitale Fotoapparate (kurioserweise steckt in dem altertümlichen Wort auch die Buchstabenkombination „App“ drin, der Verkaufskiller für das Segment der Low End-Kameras schlechthin) liefern heute in der Regel gute, ja sehr gute Abbildungsleistungen. Und sind prallvoll mit feinen technischen Details und mehr oder weniger sinnvollen Gimmicks.

Vielleicht probiert man noch einen Vollformatsensor aus, wie er z.B. in der neuen Sony Cybershot DSC-RX1-R steckt, oder interessiert sich für das rasant wachsende Segment der Systemkameras. Aber wirklich Revolutionäres erwartet bei Kompaktkameras niemand. Oder täusche ich mich? Analoge Erbstücke bleiben jedenfalls als Staubfänger längst in der Vitrine, selbst wenn Leica draufsteht.

Wenn man die alten Dinger aber in die Hand nimmt, merkt man, dass ihre Form nicht nur durch die Funktion bestimmt wurde, sondern diese Objekte schon durch Millionen Profihände gewandert sind. Und sich im Lauf der Zeit soetwas wie ein Common Sense der Gestaltung herauskristallisierte. Weil ich Leica erwähnte: Die deutsche Edelmarke, heute maßgeblich in österreichischer Hand, war und ist ungebrochen State of the Art, was die Kombination von Qualität, Wertigkeit, Eleganz und Formfaktor betrifft.

Es ist also wohl kein Zufall, dass fast alle Gerätelinien des japanischen Konkurrenten Fujifilm inzwischen auf eine frappante Ähnlichkeit im „Look & Feel“ zu Leicas älterer Bauart oder ähnlichen Kameras setzen. Ich teste gerade im Urlaubsalltag das Modell X20. Und, ja, es macht Spaß, bei der Fuji die Knöpfe, Schalter und Rändelräder automatisch an der richtigen Stelle zu wissen und sie quasi blind bedienen zu können. Es ist eine hochmoderne Schnappschusskamera (und jedem Handy haushoch überlegen), vermittelt gleichzeitig aber auch die Zeitlosigkeit und satte Haptik von Geräten, die über jede Modetorheit und Design-Petitesse erhaben sind. Like! Retro können andere auch. In der Fujifilm steckt spürbar Liebe zum Objekt.

Mehr unter groebchen.wordpress.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.