Lichttechnik

Ihr Nachbar lässt in seinem Garten blinkende Elektrohirsche röhren? Nehmen Sie's als Zeichen gläubigen Fortschritts.

Überwunden sind die Schrecken der Finsternis. Vorbei sind die Wochen, während derer ich an qualvoller Winterdepression litt.“ Normalerweise überfliege ich Social-Media-Mitteilungen dieser Art nur kurz – persönliche Befindlichkeiten interessieren mich eher weniger, Anmerkungen zu Jahreszeiten schon gar nicht. Insofern war ich doch ein wenig verblüfft, dass Facebook-Freund Volker P., den ich für seine durchgehend gescheiten und originellen Mitteilungen schätze, nun auch in diese Kerbe schlug.

Scheinbar. Denn P. setzte folgendermaßen fort: „Jetzt geht in meinem Reiche die Sonne nicht mehr unter. Vor meinem Schlafzimmerfenster ist alles in gleißendes Licht getaucht. Mein Nachbar hat seine sechsspännige Weihnachtskutsche mit blinkenden Elektrohirschen in Stellung gebracht.“ Oh, verdammt bekannte Situation! Die jahreszeitlich bedingte repräsentative Materialschlacht hebt ja spätestens drei, vier Wochen vor dem Lichterfest an. Leuchtende Sterne, hellauf erstrahlende Weihnachtsornamente, elektrisch flackernde Kerzen, Krippenspiele und Engelsscharen allerorten. Die halbe Stadt liegt im X-Mas-Taumel. Auf dem Land ist es keinen Deut besser. Ich erinnere mich, wie ich vor Jahrzehnten einmal zur Weihnachtszeit durch das dunkle, neblige, arschkalte Waldviertel gekurvt bin – um dann in irgendeinem gottverlassenen Dorf auf das achte Weltwunder zu stoßen: ein Haus, das lichttechnisch vom Kellerfenster bis zum Dachgiebel erstrahlte. Quasi überirdisch, jedenfalls jenseitig – zumal der hypertrophe Glühbirneneinsatz ein kleines Atomkraftwerk leergesaugt haben muss. Freue dich, oh Christenheit! Notfalls helfen wir mit dem Ein-/Aus-Schalter ein wenig nach.

Aber der Drang zum Lichte ist verständlich. Der Fortschritt der Menschheit darf auch in Candela, Lux und Lumen gemessen werden. Womit assoziieren wir Technik im Alltag? Wohl kaum mit Mondlandungen, Nanorobotik oder Magnetresonanztomografie. Eher schon mit scheinbar selbstverständlichen Dingen wie Fortbewegung, Wärme oder der Absenz von Dunkelheit. Eben. Insofern ist es auch nicht weiter verwunderlich, wenn zu den größten Geschenkschlagern der Jetztzeit originelle und innovative Lichtquellen zählen. Gerade die LED-Technik eröffnet hier neue Gestaltungsmöglichkeiten, etwa Farbwechsel auf Knopfdruck. Und das Ganze – Halleluja! – fast ohne Stromverbrauch. Es werde Licht!

Mehr unter groebchen.wordpress.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2013)

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