Irgendwann musste er kommen: der erste Shitstorm meines Lebens. Aber hallo!
Frauen mögen in der Öffentlichkeit doch weniger lachen und tratschen, befand der türkische Politiker A. unlängst. Man kann derlei moralisch-sittliche Oberlehrerhaftigkeit einfach als unsinnige Einzelmeinung abtun, aber immerhin handelte es sich um einen stellvertretenden Ministerpräsidenten und engen Gefolgsmann des Staatenlenkers E., der so sprach. Letzterer war unlängst in Österreich zu Gast, weil er meinte, seinen Wahlkampf auch hierzulande führen zu müssen. Einer der glühendsten Anhänger dieses Herrn in Wien heißt K. Vielen ist der volle Name des Gefolgsmanns und Propagandisten von E. bekannt, seit ihn der ORF in eine „ZiB“-Spätausgabe eingeladen hat. Wo er – gelinde gesagt – durch Dialogunwilligkeit, unhöfliches Benehmen und einen vorzeitigen Abgang auffiel.
Wie auch immer: Ich hatte den spontanen Einfall, das Lachverbot seitens A. mit dem Kommunikationsverhalten von K. in Verbindung zu bringen. „Das Medium ist die Botschaft“, hat ja einst Marshall McLuhan formuliert. Ich tätigte also einen Facebook-Eintrag: „Wenn das mal K. liest.“ Was meist zur Folge hat, dass der/die Angesprochene die Meldung (samt Extra-Namen-Tagging) tatsächlich zu Gesicht bekommt. Und den augenzwinkernd oder auch ganz ernsthaft unterstellten Konnex entweder bestätigt oder dementiert. Die meisten nehmen es mit Humor. Nicht so K.
Nach der launigen, aber gewiss harmlosen Onlinewortmeldung meinerseits ging ich schlafen. Als ich wieder aufwachte, hatte ich über achthundert Postings in meiner Timeline. Nicht wenige davon rüdeste Beschimpfungen – und das, obwohl K. selbst in einer persönlichen Reaktion seiner Anhängerschaft die – so gesehen unlogische – Parole vorgekaut hatte, ich wäre einer Antwort nicht würdig, weil eigentlich kein Mensch. Nun ja. Schließlich wuchs der Strang auf über tausend Statements an, ich amüsierte mich ein wenig, hielt mich aber aus dem Tumult – dem ansatzweise ersten Shitstorm meines Lebens – heraus. Seriös diskutieren kann man mit offensiven Hitzköpfen und Rechthabern nicht, schon gar nicht mit einer Hundertschaft von Fanboys, Fahnenschwingern und Claqueuren in deren Windschatten. Eines nur sollte K. wissen (und auch seine Vaterfigur E.): Als Diplomat und kultureller Werbeträger seines liebenswerten Herkunftslandes ist er ein Vollversager. Und die Zahl der Facebook-Likes argumentativ seit jeher keine valide Währung.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2014)