Computerwelt

Es ist ein denkwürdiger Moment, Virtual Reality erstmals live und leibhaftig zu erleben.

Es gibt diese Augenblicke im Leben. Den ersten Kuss, den mutigen Sprung vom Zehnmeterbrett im Freibad, den überraschenden Anruf des Personalberaters. Eventuell auch Tragisches – den Moment, als wir vom Tod von Jochen Rindt oder John Lennon erfuhren, den Ort, wo wir mit schreckgeweiteten Augen die Geschehnisse von 9/11 verfolgten, das Gefühl, das uns beim Abschied von der geliebten Großmutter begleitet hat. Manchmal weiß man im Augenblick des Geschehens selbst, dass es sich – strikt subjektiv – um einen denkwürdigen Vorgang handelt, der einen sein restliches Leben begleiten wird. Nun mag diese Einleitung reichlich pathetisch wirken, wenn man über die PR-Vorführung eines Unternehmens berichtet, die dieser Tage in einem Wiener Außenbezirk vonstattenging. Diese Firma nennt sich Agentur für digitale Transformation, heißt Exozet und ist in Berlin, Babelsberg und Wien aktiv. Darunter für Konzerne wie Red Bull, Audi, den Axel Springer Verlag und die Deutsche Telekom. Im Auftrag des ORF war und ist man maßgeblich an der technischen Umsetzung der TVThek, des äußerst löblichen Streaming-Archivs für ORF-Eigenproduktionen (das bald um eine Radiothek ergänzt wird) beteiligt. Welchen unvergesslichen Moment hat mir nun Exozet beschert? Die Antwort lautet: die Erkenntnis, was Virtual Reality bedeuten könnte, im wirklichen Leben. Denn bislang war es ein theoretischer Begriff, der zwar seit Jahr und Tag in der Presse herumgeistert, aber kaum greifbar war.

Schon in den 1980er-Jahren hatte ich mir auf der Ars Electronica in Linz eine Datenbrille aufgesetzt und war davon relativ unbeeindruckt. Hier aber, in einem einfachen Raum in Ottakring, manifestierte sich die Vision. Eine computergenerierte künstliche Realität, die für einige Minuten zur Wirklichkeit wurde. Eine Vorahnung der Zukunft. Für Außenstehende wirkte ich sicher wie ein plumper Tanzbär, der – zuerst mit einer Brille auf der Nase, wobei das Android-Smartphone zum Monitor wird, vor den Augen, danach ein fortgeschrittener Prototyp – seltsame Figuren in einem leeren Raum dreht. Aber ich war weit weg: Auf der Bühne mit U2, im kambodschanischen Dschungel und mitten in einem selbst geschaffenen Kunstwerk. Dreidimensional, leuchtkräftig, unfassbar real. Und dabei nur ein Binärcode, weggewischt auf Tastendruck. Hier eröffnen sich – und es ist ausnahmsweise kein banaler Werbespruch – neue Dimensionen.

Mehr unter http://groebchen.wordpress.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2015)

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