Social Media

"Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selbst welche" – das gilt erst recht im Internet.

Das Internet sei „hässlich geworden, feindselig, erregt“. Das konstatiert jedenfalls die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, kurz „FAZ“. Und erklärt uns zugleich, „wie aus einem Medium der Aufklärung ein Instrument der Irritation wurde – und was Facebook und Google jetzt tun müssten“. Derlei neumoderne Kulturkritik wird gern geteilt. Erraten: auf Facebook, Twitter und Co. Sogar von Medienprofis wie Armin Wolf.

Tatsächlich leben wir in Zeiten der Hysterie und Verwirrung. Nicht selten auch in einem Momentum grundlegender Begriffsverwirrung. In diesem Kontext passiert dem Autor der mahnenden Worte, dem „FAZ“-Redakteur Mathias Müller von Blumencron, der erste Denkfehler. Das Internet ist nicht „das intelligenteste Kommunikationswerkzeug, das der Menschheit je zur Verfügung stand“, sondern – technologisch übermächtig – ein bloßer Spiegel seiner Nutzer/innen. Bisweilen ein Brennspiegel, oft ein Zerrspiegel. Ohne Eigenintelligenz. Also: ein erschreckendes Ebenbild der Summe aller Netzbewohner, geteilt durch ihren individuellen Beitrag zur kommunikativen Kakofonie. Medien aber haben ungebrochen eine vermittelnde Rolle – würde man derlei „dem Internet“ zugestehen, hätten Zeitungen, Buchverlage, Radio- und Fernsehsender keinen Auftrag mehr. Und Armin Wolf keinen Job (jedenfalls nicht auf dem Küniglberg).

Fakt ist: „Das Internet“ ist ein Abstraktum – und einer seiner schärfsten Kritiker, der letztwöchig hierorts vorgestellte Autor Evgeny Morozov, würde dringend eine Begriffsschärfung einfordern. Facebook, Twitter und Co., also Organisationsformen des World Wide Web, sind banalerweise, was wir daraus machen. Und bei Weitem nicht die erschreckendsten. Werfen Sie doch einmal einen Blick in die Kellergewölbe der elektronischen Hemisphären, Stichwort: Darknet. Homo homini lupus est, der Mensch ist des Menschen Wolf – warum sollte das Grundprinzip der humanoiden Existenz heute, wenige Jahre nach der Findung des digitalen Kosmos, nicht mehr gelten?

Wenn Sie das nächste Mal also krudeste Verschwörungstheorien, plumpeste Anmache, Propaganda, widerwärtige Meinungsäußerungen, schlichte Unwahrheiten oder auch nur putzige Katzenbilder „im Internet“ finden, führen Sie sie ohne Umwege auf die Urheber, Verbreiter und Nachbeter aus Fleisch und Blut zurück. Die Aufklärung ist eine Angelegenheit der Menschen, nicht der Maschinen.

Mehr unter http://groebchen.wordpress.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2016)

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