EDV

Die Maschinen sind intelligenter, die Meinungsforscher dümmer geworden. Oder ist es doch eher umgekehrt?

Das war das Bild, das Generationen in Sachen Computerei prägte: das ORF-Zentrum an Wahltagen der letzten drei, vier Jahrzehnte des vorigen Jahrtausends, als im entscheidenden Augenblick – dem der ersten Hochrechnung – in ein externes Rechenzentrum zu Universitätsprofessor Gerhart Bruckmann umgeschaltet wurde. Im Hintergrund erblickte man schrankgroße Geräte, Magnetbänder auf rasend rotierenden Spulen und, wenn ich mich recht erinnere, zuweilen geschäftiges Personal im dezenten Wissenschaftleroutfit. Es herrschte noch tiefe Ehrfurcht vor der elektronischen Datenverarbeitung (kurz: EDV) seit dem Aufkommen der ersten Rechenanlagen in den Fünfzigerjahren.

Am 22. April 1971 gab es die erste offizielle computergestützte Hochrechnung bei einer Bundespräsidentenwahl, nachdem ein Testlauf anno 1965 zufriedenstellend ausgefallen war. Das ORF-Studio, damals noch in der Argentinierstraße, und das IBM-Rechenzentrum am Donaukanal waren via „Datenfernverarbeitung“ zusammengeschaltet. Professor Bruckmann, der wenige Minuten nach Wahlschluss das Ergebnis mit verblüffender Präzision verkündete, erlangte die Popularität eines Popstars. Und das allein mit den Mitteln der Mathematik und Statistik.

Heute haben sich die Leistungsfähigkeit von Computern und damit Hand in Hand gehend die Möglichkeiten der statistischen Mathematik enorm gesteigert. Die Meinungsforschung, die davon besonders profitiert, steht momentan nicht gerade hoch im Kurs: Bei den jüngsten Wahlen in unserem Land lag man arg daneben, insbesondere bei der ersten Runde der Bundespräsidentenwahl 2016 – durch die Bank. Zwar ging es hier um Wahlprognosen und nicht um die sekundenschnelle Berechnung von Gesamt- und Lokalergebnissen, Trends, Wählerströmen und Schwankungsbreiten. Aber die quasiamtliche Demut vor der vorauseilenden Verkündung des Wahlvolkverhaltens wich allseitiger Ernüchterung. Und der Erkenntnis, dass Wahlprognosen und Exit Polls in „schwierigen“ Zeiten wie diesen Kaffeesudleserei nahekommen.

Was die Institute und Analysten, die derlei zum Geschäftsmodell erhoben haben, nicht weiter anficht: Eifrig werden neueste Prognosen zum Ausgang der Stichwahl erstellt. Die Meinungsforscher erklären unisono den FPÖ-Kandidaten zum „absoluten Favoriten“. Das macht Hoffnung – für seinen Gegenspieler.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.05.2016)

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