Windows Phone im Dornröschenschlaf

File photo of a woman posing with a Nokia Lumia smartphone in this photo illustration in the central Bosnian town of Zenica
File photo of a woman posing with a Nokia Lumia smartphone in this photo illustration in the central Bosnian town of ZenicaREUTERS
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Nach drei Jahren liegt der Marktanteil von Microsoft bei Smartphones noch immer im niedrigen einstelligen Bereich. Dabei hätte der Konzern nun die besten Voraussetzungen, Apple Konkurrenz zu machen.

Das jüngste Nokia-Smartphone, Lumia 930, hat eigentlich alles, was ein gutes Smartphone zum Erfolg braucht. Es ist ein Hingucker, hochwertig gearbeitet und technisch auf dem Stand der Dinge. Trotzdem ist es mehr als unwahrscheinlich, dass man das Gerät in der Öffentlichkeit demnächst öfter zu sehen bekommt. Im Herbst wird das Betriebssystem, auf das Nokia setzt, drei Jahre alt – und nach wie vor liegt der Marktanteil im niedrigen einstelligen Bereich. Dabei hätte Microsoft die besten Voraussetzungen: Mit der Übernahme des Handyherstellers Nokia für insgesamt 5,44 Mrd. Euro hat der Konzern die Möglichkeit, wie Apple Hardware und Software aus einer Hand anzubieten und zu vermarkten.

Das Google-Problem.
Das Lumia 930 läuft mit der jüngsten Version Windows Phone 8.1, und es gibt einige Dinge, die wirklich gelungen sind. Der Startbildschirm zum Beispiel. Die bunten Kacheln, die viele Windows-8-Nutzer verärgern, sind auf Smartphones äußerst erfreulich. Je nach individueller Wichtigkeit können die Rechtecke in drei unterschiedliche Größen gebracht und beliebig in einen schicken Raster geschlichtet werden. „Widgets“ wie bei Android sind nicht notwendig, da die Kacheln aktuelle Inhalte anzeigen – etwa das Wetter oder Termine.

Der Smartphonemarkt in westlichen Ländern ist allerdings gesättigt. Will Microsoft Nutzer zum Kauf eines Oberklasse-Lumias bringen, geht es mit großer Wahrscheinlichkeit um ehemalige Android-Nutzer, da der Marktanteil von Google derzeit etwa bei 80 Prozent liegt. Genau hier liegt eine der größten Schwächen von Windows Phone. Google weigert sich bis heute, im großen Stil Apps für das Microsoft-System anzubieten, und die Wahrscheinlichkeit, dass Android-Nutzer ihre Termine mit Google-Kalender verwalten, Dateien in Drive speichern und E-Mails via Gmail empfangen, ist sehr hoch. Mit ein wenig Glück haben andere Anbieter Apps für Google-Dienste entwickelt. Mit etwas Pech sind diese – wie im Fall von Google Chrome – aber nur wenig brauchbar.


Office auf dem iPad.
Auch wenn Microsoft bei der Anzahl an Apps in den vergangenen Jahren viel Boden gutgemacht hat, ist das Problem nach wie vor eklatant. Facebook ist vorhanden – im Vergleich zu Android oder iOS wirkt die App aber veraltet. Neue Apps, die oft binnen weniger Tage die App-Store-Charts erklimmen, sucht man bei Microsoft meist vergeblich. Snapchat, Dropbox oder Soundcloud fehlen nach wie vor.

Selbst bei eigenen Diensten ist die Integration an einigen Stellen noch wenig überzeugend. Auch wenn man sich zu Beginn bereits mit seinem Microsoft-Konto am Smartphone angemeldet hat, geschieht eine Anmeldung beispielsweise für Office 365 nicht automatisch. Und auch, wer sich von Microsoft eine optimale Nutzung von Office-Dokumenten für unterwegs erwartet, wird enttäuscht. Die Windows-Phone-Version von Word kann mit speziellen Formatierungen wie Inhaltsverzeichnissen oder Fußnoten nichts anfangen und verweigert dann sicherheitshalber gleich die Bearbeitung des Dokuments. Ist Windows Phone selbst für die Office-Abteilung von Microsoft dank des geringen Marktanteils nicht relevant genug? Bezeichnenderweise hat Microsoft heuer Office-Apps für Apples iPad veröffentlicht. Die Präsentation war einer der ersten großen Auftritte des neuen Chefs, Satya Nadella.

Hersteller warten ab.
Aus Sicht der Hardware-Hersteller ergibt sich ein weiteres großes Fragezeichen. Wie soll man mit Nokia mit einem Konkurrenten umgehen, der alles auf die Karte Windows Phone setzt? „Das System bietet nur wenige Möglichkeiten, sich von der Konkurrenz abzusetzen“, erklärt Christoph Marschall, Entwickler bei LG Europa, im Gespräch mit der „Presse“. Gemeint ist, dass Microsoft Herstellern verbietet, am Betriebssystem Anpassungen vorzunehmen. Android wird von Smartphoneanbietern mit eigenen Diensten bestückt und die Oberfläche so bearbeitet, dass sie für Nutzer vielleicht praktischer oder einfacher zu benutzen ist. Die einen loben dann die Android-Oberfläche von Samsung, andere bevorzugen das kühle, elegante Design von Sony oder die vielen praktischen Extras von LG. Bei Windows Phone aber sind alle gleich.

Auch dass Nokia den kleinen Markt für Microsoft-Smartphones fast zur Gänze in der Hand hat, macht den Bereich für andere Hersteller kaum interessanter. Hinzu kommt ein ungünstiges Detail aus der Statistik: Offenbar entfällt der Großteil der Windows-Phone-Verkäufe auf Billiggeräte, bei denen kaum mit großen Profiten zu rechnen ist. Insgesamt ergibt das eine Melange, die Smartphone-Hersteller derzeit bei Windows Phone eher zurückhaltend sein lässt. Vom Tisch ist das Thema aber natürlich auch bei LG nicht. „Windows Phone hat im Business-Bereich ein großes Potenzial“, sagt Marschall.

Job-Kahlschlag. Bleibt zu hoffen, dass Microsoft jetzt rasch lernt, die vielen Potenziale von Windows Phone auch auszuschöpfen. Ob und wie gut das gelingt, liegt derzeit in den Händen von Stephen Elop, der vor vier Jahren von Microsoft an die Spitze von Nokia wechselte. Elop gilt als Verkuppler der beiden Unternehmen und wurde als potenzieller Nachfolger von Steve Ballmer als Chef von Microsoft gehandelt. Für die übrigen 25.000 ehemaligen Nokia-Mitarbeiter, die zunächst alle von Microsoft übernommen wurden, steht der Neubeginn unter keinem guten Stern. Vergangene Woche hat Microsoft angekündigt, insgesamt 18.000 Stellen zu streichen – die meisten davon werden ehemalige Nokia-Stellen betreffen. In der letzten Bilanz vor der Übernahme wies Nokia für das Handygeschäft 2013 einen Gesamtjahresverlust von 780 Mio. Euro aus; der Umsatz sank im Jahresvergleich um 30 Prozent auf 1,93 Mrd. Euro.

in kürze

Nokia-Übernahme
Microsoft hat Nokias Handygeschäft um 5,44 Mrd. Euro übernommen.

Nokia Lumia 930
Das jüngste Microsoft-Smartphone gehört zu den besten. Die Windows-Phone-Verkäufe werden aber von Billiggeräten getrieben.

Windows Phone
Seit drei Jahren liegt der Marktanteil im niedrigen einstelligen Bereich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2014)

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