Billigere Urlaubs-SMS – teuer erkauft

APA/dpa/Daniel Naupold
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Roaminggebühren in der EU werden Mitte 2017 abgeschafft. Aber nur für Gelegenheits-Nutzer. Im Gegenzug dürfen die Telekom-Konzerne teure Überholspuren im Netz verkaufen.

Mitte 2017 sind die Roaming-Gebühren in der EU Geschichte. Reisende im EU-Ausland können dann deutlich billiger telefonieren, SMS schreiben und mobil im Internet surfen. Darauf einigten sich Vertreter des EU-Parlaments, EU-Staaten und EU-Kommission in der Nacht auf Dienstag. Die Nachricht kommt nach drei Jahren zäher Verhandlungen mit der Mobilfunkindustrie – und sie ist nicht so gut, wie sie im ersten Moment klingt. Denn in vielen Fällen dürfen Mobilfunker weiter mehr Geld für Telefonate im Ausland verlangen und erhalten zudem grünes Licht von der EU, teurere Spezialdienste im Internet anbieten zu dürfen.

Was bedeutet die nächtliche Einigung nun konkret? Werden die Konsumenten in der EU besser gestellt oder wurde es der befürchtete Sieg der Telekom-Lobbyisten?

(Fast) keine Roaming-Gebühren

Wer nur gelegentlich in der EU urlauben und telefonieren will, wird vom offiziellen Aus der Roaming-Gebühren profitieren. Am 15. Juni 2017 fallen die Zusatzkosten, davor werden sie kräftig gesenkt: Ab 30. April 2016 dürfen aktive Telefonate nur fünf Cent pro Gesprächsminute kosten (derzeit 19 Cent), SMS zwei Cent (sechs Cent) und ein Megabyte Daten fünf Cent (20 Cent).

So weit, so gut. Doch die EU hat den Mobilfunkbetreibern eine große Hintertüre eingebaut: Wer mit seinem Handy häufiger im EU-Ausland unterwegs ist, wird weiterhin mehr bezahlen müssen als daheim. Auch zusätzlich anfallende Kosten dürfen die Betreiber ihren Kunden verrechnen. Wo genau die Grenze liegt, ab der Roaming-Gebühren erlaubt bleiben, ist unbekannt. Eine finale Fassung der Grundsatzeinigung vom Dienstag muss dem EU-Parlament noch vorgelegt werden.

Im Vorfeld wurde ein Entwurf bekannt, der sehr niedrige Höchstgrenzen von 100 Megabyte Daten, 50 SMS und 50 Gesprächsminuten im Jahr vorsah. Geschäftsreisende dürften damit nicht von der neuen Regelung profitieren. Ausgewanderte EU-Bürger, die vom neuen Wohnort in die Heimat telefonieren, wurden gar nicht erst bedacht.

Tauschgeschäft mit Branche

Vieles deutet darauf hin, dass die Lobbyisten der Mobilfunkbranche den Kompromiss entscheidend beeinflusst haben. Zeit genug haben sie gehabt: Seit EU-Digitalkommissar Günther Oettinger das Projekt Ende 2014 übernommen hat, wurden 44 Unternehmenslobbyisten bei ihm vorstellig, zählte die Transparency International. Zum Vergleich: Nichtregierungsorganisationen durften in der Zeit nur zwei Mal vorsprechen, schrieb der Spiegel. Was Oettinger da gehört haben wird, ist bekannt: Das plötzliche Aus für die Roaming-Gebühren sei der Todesstoß für eine Branche, die sich in Europa ohnedies zu stark reguliert fühlt. Etliche der über hundert (!) Telekomfirmen Europas müssten um den Gewinn fürchten.

Doch das Aus für die Roaming-Gebühren war eines der Prestigeprojekte der EU, ein komplettes Abweichen davon also schwer denkbar. Stattdessen handelten die Unternehmen ein Tauschgeschäft aus: Die Roaming-Gebühren fallen (zumindest ein bisschen), dafür verschwindet auch das ungeliebte Gebot der „Netzneutralität“ – und die Konzerne dürfen bestimmte Daten im Internet endlich schneller (und teurer) befördern als andere. Verfechter der Netzneutralität sehen damit eine der Grundlage des freien Internets bedroht. Auch Start-Ups fürchten diese Regelung, da ihnen – im Gegensatz zu den Platzhirschen – oft das Geld fehlt, um die Überholspuren im Netz zu buchen. Im EU-Parlament gab es heftigen Widerstand gegen diese Regelung, nun dürfte sie es doch in den Kompromiss geschafft haben.

Kostet Internet-TV bald mehr?

Wobei, solange die finale Vereinbarung nicht vorliegt, bleibt das unklar. Der Kompromiss sehe vor, dass „alle Daten gleichbehandelt“ würden, versichern Abgeordnete. Gleichzeitig erlaube er aber, schnellere Spezialdienste anzubieten, solange diese nicht die „generelle Qualität“ der Netzgeschwindigkeit beeinträchtigten. Eine „pragmatische Lösung“ (Zitat Oettinger), die amerikanischen Telekomunternehmen kürzlich verwehrt blieb.

Was kann das mögliche Ende der Netzneutralität für die Kunden bedeuten? Ein möglicher Spezialdienst, den die EU explizit erwähnt, ist Internet-TV. Beliebte Streaming-Anbieter wie Netflix könnten also eine schnellere Leitung für ihre Dienste buchen. Europas Telekomunternehmen könnten endlich am Erfolg der Silicon Valley-Stars mitnaschen. Zahlen muss der Kunde.

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