Kostenfreies Roaming künftig nur für 90 Tage

Das Handy als Kostenfalle im Urlaub: Wenigstens dem sollte die Neuregelung abhelfen.
Das Handy als Kostenfalle im Urlaub: Wenigstens dem sollte die Neuregelung abhelfen.(c) APA/AFP/CHARLY TRIBALLEAU
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Ohne Zusatzkosten im Ausland zu telefonieren oder zu surfen soll nur befristet möglich sein. Laut EU-Kommission soll so Missbrauch verhindert werden.

Wien. Keine Roaminggebühren mehr ab Juni 2017, beschloss das EU-Parlament vor zehn Monaten. Ganz so dürfte es nun doch nicht kommen: Laut einem Vorschlag der EU-Kommission sollen Handynutzer im EU-Ausland künftig nicht auf Dauer, sondern nur befristet ohne Zusatzkosten telefonieren und im Internet surfen können.

Konkret sieht der Vorschlag vor, dass mindestens 90 Tage Roaming pro Jahr frei von Zusatzkosten sein müssen. Die Handynutzer sollen diese Tage beliebig über das Jahr verteilt in Anspruch nehmen können. Grenzpendler und Tagestouristen sind im Entwurf ausgenommen: Wer am selben Tag in zwei Netzen unterwegs ist, muss keinen Tag aus seinem Kontingent abhaken. Längere Auslandsaufenthalte ohne Zusatzkosten sind aber wohl nicht drin, denn nach 30 Tagen sollen Betreiber ein Einwählen im Heimatnetz verlangen können.

Die Einschränkungen sollen Missbrauch verhindern, sagte eine Kommissionssprecherin gestern und reagierte damit auf Kritik an dem Regelungsentwurf. So falle es etwa nicht mehr unter Roaming, wenn Kunden bei einem billigeren ausländischen Anbieter einen Vertrag abschließen, ihn aber nur im Heimatland nutzen. Längerfristig könne das zu steigenden Preisen führen, heißt es seitens der EU-Kommission.

„Wettbewerbsbremse“

Massive Kritik an dem Entwurf kam gestern unter anderem vom grünen EU-Parlamentarier Michel Reimon: Ein gemeinsames Europa dürfe nicht bei der Telefonrechnung enden. 90 Tage kostenfreies Roaming im Jahr seien „eine Farce“. EU-Kommissar Günther Oettinger, der den Entwurf vorgelegt hatte, sei ein Vertreter der Telekomindustrie und „ihr oberster Lobbyist“, sagte Reimon.

Verhalten kritisch äußerte sich auch der Telekomsprecher der ÖVP im EU-Parlament, Paul Rübig: Die 90-Tage-Frist sei zu kurz und „eine Wettbewerbsbremse“, meinte er. Europa brauche den digitalen Binnenmarkt, „damit das beste Tarifangebot Europas auch für alle in Europa verfügbar ist“. Das Versprechen für Urlauber und Geschäftsreisende, dass die Roaminggebühren wegfallen, sei aber de facto erfüllt, räumte Rübig ein.

Verbraucherschützer sind mit der Befristung ebenfalls nicht glücklich: „Diese weitreichenden Einschränkungen bedeuten, dass das lange versprochene Ende des Roamings für die meisten europäischen Verbraucher keine Realität wird“, verlautete vom europäischen Verbraucherverband Beuc.

Der Vorschlag der EU-Kommission soll in den kommenden Wochen im Europäischen Parlament diskutiert werden. Mobilfunkanbietern soll es demnach auch freistehen, ihren Kunden mehr roaminggebührenfreie Tage einzuräumen.
Wie viel es künftig kosten darf, wenn das 90-Tage-Limit überschritten wird, muss ebenfalls vom EU-Parlament und vom EU-Ministerrat beschlossen werden. Für die Verrechnung unter den Mobilfunkbetreibern hat die EU-Kommission Obergrenzen vorgeschlagen: Demnach sollen ab Mitte 2017 maximal vier Cent pro Minute, ein Cent pro SMS und 0,85 Cent pro Megabyte verrechnet werden dürfen. (APA/DPA/cka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2016)

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