Der Kampf ums Handgelenk

Android-Hersteller verpassen ihre Chance.
Android-Hersteller verpassen ihre Chance.(c) Reuters
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Bei den Wearables ist die Goldgräberstimmung der Resignation gewichen. Nur noch Apple und Samsung sind übrig. Der Rest der Branche begibt sich in die Beobachterposition.

„Wie spät ist es eigentlich?“, fragt ein älterer Herr in der U-Bahn sein deutlich jüngeres Gegenüber. Und dieser zückt sein Smartphone. Uhr trägt er keine, wie durch einen Blick auf seine leeren Handgelenke schnell zu erkennen ist. Die Jugend von heute verzichtet meist auf tickenden Armschmuck. Das Smartphone wurde zum Ersatz für viele Geräte und ist immer dabei.

Und das, obwohl Hersteller seit Jahren versuchen, den Kunden Wearables, also tragbare Technologie, schmackhaft zu machen. Da der Erfolg bislang ausgeblieben ist, ist es nicht überraschend, dass große Smartwatch-Ankündigungen auch auf der diesjährigen Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin ausgeblieben sind. Lediglich Samsung hat zwei Modelle präsentiert. LG hielt sich bedeckt, auch Huawei und Sony hatten keine Smartwatches im Gepäck.

Hoffnung weicht Resignation. Bei den Wearables hofft die Branche, wie auch schon die Jahre zuvor, auf größere Nachfrage, ohne dabei in große Entwicklungen investieren zu wollen. Die tragbaren Kleingeräte wie Smartwatches und Fitnessarmbänder konnten sich bei den Nutzern nicht durchsetzen.

Der größte Kritikpunkt ist nach wie vor die Akkulaufzeit. Die meisten Geräte müssen – trotz gegenteiliger Versprechen – täglich an die Steckdose. Und so lang kein Hersteller diese Schwachstelle beheben kann, nützen auch Herzfrequenzmesser, Ultraschallsensoren und Telefonfunktion nicht, um Kunden zu einem Kauf zu bewegen.

Statt an den bekannten Problemen zu arbeiten, scheint – zumindest in der Android-Welt – Resignation Einkehr zu halten. 2016 soll das Portfolio ohne Smartwatches auskommen. Ehemalige Vorreiter verzichten darauf, neue Modelle auf den Markt zu bringen. Darunter auch Motorola. Das Unternehmen, das seit 2014 zu Lenovo gehört, wird vorerst keine Neuheiten in diesem Bereich präsentieren. Ein Unternehmenssprecher erklärte, dass das Unternehmen abwarten wolle. Und auch Huawei und LG wollen warten. Worauf, wissen die Hersteller selbst nicht genau.

Googles neueste Version des Betriebssystems Android Wear soll noch 2016 vorgestellt werden. Hersteller, die Uhren damit auf den Markt bringen werden, muss der Suchmaschinenkonzern aber erst finden. Auf Samsung braucht Google nicht zu setzen. Die Koreaner haben mit Tizen von Beginn an auf ein eigenes Betriebssystem gesetzt und Google den Rücken gekehrt.

Apple räumt das Feld von hinten auf. Das kalifornische Unternehmen ist relativ spät in das holprige Wearables-Treiben eingestiegen. Doch für Apple scheint sich das Warten gelohnt zu haben. Nummer eins auf dem Smartphone-Markt und im Uhrensegment direkt hinter Rolex – zumindest laut Apple. Einzige ernst zu nehmende Konkurrenz scheint noch Samsung. Im Gegensatz zur Gear S3 erfüllt die Apple Watch Series 2 eher ästhetische sowie funktionale Ansprüche der Nutzer.

Die Apple-Uhr bietet einen Unisex-Look. Die Gear S3 hingegen wirkt auf einem zierlichen Frauenhandgelenk, als hätte David aus dem Alten Testamen Goliaths Uhr angelegt. Frauen hätten geringeres Interesse an Smartwatches – im Gegensatz zu Männern, lautete Samsungs Erklärung für das Design. Apples Strategie, beide Geschlechter anzusprechen und individuelle Ansprüche über das Zubehör zu bedienen, erwies sich beim iPhone schon als Erfolgsgarant. Anscheinend muss Apple, wie schon in der Vergangenheit, dem Markt den nötigen Schubs geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2016)

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