Uhrenhersteller bauen auf neue Technologien und alte Werte

Bloomberg
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Nach anfänglicher Skepsis sehen sich Uhren-Pioniere wie Swatch, Montblanc und TAG Heuer gezwungen, sich den neuen Technologien doch zu öffnen.

Sony, LG, Samsung und Apple. Sie allen haben mindestens ein Modell im Angebot: Smarte Uhren, die Schritte messen, den Puls immer im Blick haben und nebenbei auch die Uhrzeit anzeigen können. Als die tragbare Technik zum neuesten Trend erklärt wurde, zeigten sich die traditionellen Uhrenhersteller wenig beeindruckt. Allen voran Swatch-Chef Nick Hayek. Nahezu mantraartig wiederholte er, dass die Apple Watch höchstens Unterhaltungselektronik für das Handgelenk sei.

Mit einer klassischen Uhr hätten alle diese Produkte nur wenig gemeinsam. Doch es hat ein Umdenken stattgefunden. Allen voran auch bei Hayek. Uhren werden wieder getragen. Anscheinend aber nur unter der Prämisse, wenn sie mehr können als die analogen Geräte. Das Umdenken hat stattgefunden und jetzt tasten sich die Hersteller vor. Es ist ein erstes Kennenlernen mit Chips, Sensoren und berührungsempfindlichen Displays. An einem Punkt gibt es aber für die Schweizer Uhrenfertiger nichts zu rütteln. Am Preis. Denn für die schlanke Brieftasche sind auch die smarten Uhren nicht.

Baselworld wird smart

Zur wichtigsten Branchenmesse Baselworld (23. bis 30. März) präsentiert auch die Edel-Marke Montblanc ihre erste Smartwatch von TAG Heuer gibt es die zweite Generation seines Modells Connected.

Es ist kein Wandel aus Überzeugung, sondern aus der Notwendigkeit heraus. Die Hersteller hoffen vor dem Hintergrund eines fortlaufenden Geschäftsrückgangs, so jüngere Kunden zu gewinnen. Eine Gruppe, die bereits aufgehört hat, Uhren zu tragen. Mit Apple ist das Handgelenk wieder attraktiv geworden. Das hoffen zumindest Swatch, Fossil und Omega.

Von Ablehnung zur totalen Hingabe in zwei Jahren

Erinnerungen an die 1970er-Jahre sitzen manchen Herstellern noch stark in den Gliedern. Als die Japaner mit Billig-Uhren den Markt überschwemmten und dem Luxus-Segment wichtige Umsätze abspenstig machten. Swatch konnte sich retten und brachte knallige Plastikuhren auf den Markt. Gerade noch rechtzeitig.

Dass Swatch damals erkannt hat, dass es kurz vor zwölf ist, lag vor allem an Nicolas Hayek, dem Vater des jetzigen Chefs. Nick Hayek hat nach anfänglicher Arroganz und Selbstüberschätzung nun die Reißleine gezogen und erkannt, dass die von ihm so oft als Strohfeuer bezeichnete Technologie doch Potenzial hat. Und jetzt hängt er sich voll rein. Mit Marken wie Tissot will Swatch eine eigene Technologie-Plattform als Gegengewicht zu Apple und Google entwickeln. Schon Ende 2018 will das Unternehmen ein eigenes Betriebssystem am Start haben. Eine Unabhängigkeit, die nicht nur ihren Preis in der Entwicklung hat. Die Geräte müssen sich trotzdem mit iOS und Android koppeln lassen, denn was für einen Sinn haben alle Tracking-Funktionen, wenn sie sich nicht speichern und dokumentieren lassen, mit Hilfe einer App.

Hayeks Kehrtwende lässt sich leicht an den Verkaufszahlen der IDC erklären. 2016 wurden knapp 49 Millionen smarte Uhren verkauft. Das Marktforschungsinstitut rechnet damit, dass bis 2021 der Verkauf auf 150 Millionen Geräte pro Jahr ansteigen wird. Die Berechnungen belaufen sich aber auf Schätzungen. Die meisten Hersteller, darunter auch Apple weisen die Apple-Watch-Verkaufszahlen in ihren Quartalsberichten nicht aus.

Smarte Technik, hohe Preise - eine neue Ausrichtung

Apples Luxus-Modell der Apple Watch ist grandios am Markt gescheitert. Als die Uhr still und leise aus dem Sortiment entfernt wurde, konnte man das Aufatmen der Schweizer Hersteller nahezu hören. Die Hoffnung, dass dieses Segment den Pionieren vorbehalten bleibt, besteht weiterhin. Doch noch bleibt die Problemstellung ungelöst, wie die smarten Technologien eingebunden werden können, ohne dabei auf die wichtigen Umsätze zu verzichten. Zwar werden am meisten günstige Geräte verkauft, aber der Gewinn entsteht bei den Luxus-Uhren, die über 3.000 Franken kosten.

Eine Erhöhung der Luxus-Steuer in China, weniger kauffreudige Touristen in europäischen Metropolen und der starke Franken ließen die Erlöse der Schweizer Hersteller im vergangenen Jahr um fast 10 Prozent fallen.

(Red./APA/DPA)

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