Googles Androiden stürzen alten „König Nokia“

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Google überholt die Finnen und setzt sich mit seiner Gratis-Software Android erstmals an die Spitze des Handymarkts. Findet Nokia kein Rezept, könnte der Ex-Branchenführer selbst zum Neuankömmling überlaufen.

Wien/Auer. Über eine Dekade lang – im Grunde seit Handys weit verbreitet sind – hatten die Finnen die Branche fest im Griff. Vier von zehn Mobiltelefonen weltweit kamen noch vor Kurzem aus den Hallen des Weltmarktführers Nokia. Doch diese Ära ist vorerst vorbei. Denn die Skandinavier haben den Trend zu multifunktionalen Smartphones einfach verschlafen.

Die Krone übernimmt stattdessen der US-Rivale Google. Im vierten Quartal 2010 wurden erstmals mehr Mobiltelefone mit Googles Betriebssystem Android verkauft als solche mit Nokias Betriebssystem Symbian (siehe Grafik). Nach einer Erhebung der Marktforscher von Canalys gingen zu Jahresende 33,3 Mio. Android-Smartphones über den Ladentisch – sechsmal mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Ein Drittel des Marktes gehört damit dem Konzern aus Mountain View. Im Gegensatz dazu purzelte der Anteil von Nokia von 44,4 auf 30,6 Prozent. Apples stagnierte mit seinem iPhone bei 16 Prozent.

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Gratis-Software für alle Anbieter

Wie aus dem Nichts hat sich Android an die Spitze eines Marktes gesetzt, der sich allein im vergangenen Jahr fast verdoppelt hat. Das Erfolgsrezept dahinter ist leicht erklärt: Google baut keine eigenen Mobiltelefone (darum ist Nokia auch weiterhin der größte Gerätehersteller der Welt), sondern stellt den Herstellern sein Open-Source-Betriebssystem Android kostenfrei zur Verfügung.

Die lassen sich nicht zwei Mal bitten. Außer den Rivalen Nokia, Apple und Blackberry-Hersteller RIM greifen alle Produzenten auf Googles Software zurück – mit Erfolg. So meldete etwa Branchenveteran Sony Ericsson jüngst die Rückkehr in die schwarzen Zahlen. Erst zu Jahresende er die Produktion von Symbian-Handys zugunsten von Android aufgegeben.

Google verlangt kein Geld für seine Software. Böse Zungen behaupten sogar, der Konzern würde Hersteller für den Umstieg auf Android bezahlen. Absahnen möchte Google-Chef Larry Page lieber über Apps. Das Geschäft mit den kleinen Zusatzprogrammen gilt als Zukunftsmarkt. Die Marktforscher von Gartner schätzen, dass sich der Weltmarkt für mobile Apps im laufenden Jahr auf 11,1 Mrd. Euro fast verdreifachen wird.

Um hier mitnaschen zu können, ist es wichtig, sein Betriebssystem und damit seinen eigenen Online-Handel für Apps auf die Geräte zu bringen. Bei jedem Programm, das über den Android Marketplace verkauft wird, schneidet Google 30 Prozent mit. Für jedes Programm, das etwa aus Apples App Store geladen wird, klingelt die Kasse beim Konkurrenten.

Nokia vor geordnetem Rückzug?

Was kann Nokia all dem entgegenhalten? Dem Konzern fehlt nicht nur ein schlagkräftiges Smartphone, auch bei Billighandys geraten die Finnen zusehends unter Druck der asiatischen Konkurrenz.

Erst vor wenigen Monaten wurde die Führungsriege erneut ausgewechselt und Stephen Elop als neuer starker Mann installiert. Doch auch er schaffte es bisher nicht, das vor einem Jahr als Hoffnungsprojekt angekündigte Betriebssystem Meego auf den Markt zu bringen. Am 11.Februar will der Kanadier der Welt erklären, wie der Konzern sein Comeback schaffen will. Eine Sensation bahnt sich an: „Die Industrie hat sich geändert, jetzt ist es für uns Zeit, sich zu ändern“, sagte Elop bei der Präsentation der schwachen Quartalszahlen vor wenigen Tagen.

Seitdem erwartet die Branche, dass der „General“, wie Elop genannt wird, den geordneten Rückzug ankündigen wird. Nokia könnte die Entwicklung von Software an den Nagel hängen und ins Lager von Google überlaufen, heißt es.

Smartphones von Nokia würden dann mit Android laufen. Oder aber mit Windows Phone 7, der Software aus dem Hause Microsoft, der letzten Karrierestation des jetzigen Nokia-Chefs. Egal, welchen der beiden Elop wählen sollte: Eine gute Nachricht ist es für Nokia in keinem Fall.

Denn dann droht der Konzern zum margenschwachen Gerätehersteller zu werden – und davon gibt es mehr als genug.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2011)

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