Michael Krammer wettert gegen den Mitbewerb und setzt auf unbegrenztes Datenvolumen. Man müsse dafür dem Skilehrer danken, der 25.000 Euro versurfte. Laut einer Studie ist Österreich iPhone-Vorreiter in Europa.
Fast schon wirkt Orange-Chef Michael Krammer empört, als er aufzählt, wie heutige Smartphones ohne Wissen ihrer Benutzer Daten verbrauchen. "Wenn man beim iPhone 4 Fotos macht, entstehen 100 Kilobyte Datenverbrauch", berichtet er. Beim HTC Desire baue sich sogar schon eine Datenverbindung auf, wenn man einfach nur den Touchscreen berührt. Ob Krammer im Fall des iPhone Ortsdienste aktiviert hatte, sagt er freilich nicht. Um seine Kunden vor unangenehmen Überraschungen zu bewahren, sollen in Zukunft alle Tarife daher ein unbeschränktes Datenvolumen besitzen. Die Verbindung wird lediglich gedrosselt, wenn man eine bestimmte Grenze überschreitet.
Annäherung an 3?
Das Konzept ist nicht neu. Schon der Billig-Konkurrent 3 bietet vergleichbare Tarife seit einiger Zeit an. Orange will aber nicht nur hochpreisige Smartphonetarife bieten, sondern auch die günstigste Variante ab 9 Euro im Monat ohne Zusatzkosten surfen lassen. Allerdings mit auf 64Kbit/s beschränkter Geschwindigkeit. Im Vergleich: Ohne Drosselung surft man mit HSPA+ je nach Bandbreite um das mehrere Hundertfache flotter. Ab 15. Mai sollen die neuen Tarife und Bedingungen (siehe Grafik) gelten, allerdings nur für Neukunden und Vertragsverlängerungen. Bestandskunden müssen bis etwa Juli warten, bis sie in den Genuss von unbegrenztem Datenvolumen kommen. Bis dahin gilt für diese Kunden weiterhin Vorsicht. Orange wolle diese Kunden aber "ab einem gewissen Betrag" aktiv vor Zusatzkosten warnen.
Auf die Frage, warum 3 laut seinen eigenen Aussagen mit den aktuellen Tarifen nicht wirtschaftlich arbeiten könne, es bei Orange aber möglich sein soll, entgegnete Krammer: "Beim Supernet 2000 [der zweitgünstigste neue Tarif, Anm.] werden Sie sicher kein iPhone um 0 Euro dazu kriegen." Die Alternative seien günstigere Android-Handys, die Orange schon um 100 Euro Einkaufspreis erhalte und die ebenfalls für die Internetnutzung ausgelegt seien.
Datenvolumen ver-32-facht
Krammer will sein Unternehmen mit den neuen Tarifen an das veränderte Nutzungsverhalten anpassen. 80 Prozent der Orange-Neukunden würden 2011 zu einem Smartphone greifen. Schon 2010 war die Hälfte aller in Österreich verkauften Handys ein internetfähiges Smartphone. Bis 2015 ist im Vergleich zu 2009 eine Ver-32-Fachung das Datenvolumens prognostiziert. Allerdings gebe es von derzeit 46 verfügbaren Tarifen in Österreich nur 23, die ein Datenvolumen von mindestens 100 Megabyte pro Monat anbieten, berichtet Krammer. Und nur 13 davon würden eine Drosselung beim Überschreiten vornehmen, der Rest verrechnet nach.
tele.ring teurer als Datenroaming
Diese Nachverrechnung ließ sich der Orange-Chef nicht nehmen, bei der Konkurrenz anzuprangern. Namentlich nannte Krammer tele.ring, das er selbst noch 2006 vor der Übernahme durch T-Mobile führte. Der aktuelle Basta-Tarif würde pro Megabyte über dem verfügbaren Datenvolumen vier Euro verlangen. "Das sind 4000 Euro pro Gigabyte", sagt Krammer. Und ergänzt süffisant: "Da soll noch einer sagen, Datenroaming ist teuer!" Orange selbst hätte bisher 0,25 Euro pro Megabyte über dem Datenvolumen verlangt. Acht bis zehn Prozent aller Kunden seien pro Monat außerhalb der Freigrenzen. Mit vielen würde man sich aber gütlich einigen, behauptet Krammer. "Unsere Gutschriften belaufen sich pro Monat auf einen fünfstelligen Betrag."
EU-Roamingpakete
Beim Roaming schneidet sich Orange eine Scheibe beim neuen Netz-Partner T-Mobile ab. Der rosa Betreiber hatte auf dem Mobile World Congress im Februar eine Daten-Flatrate für EU-weites Roaming vorgestellt. Orange plant etwas vergleichbares. Für 30 Tage soll man Roaming-Pakete erwerben können. Zur Wahl stehen 50 und 250 Megabyte für fünf beziehungsweise 15 Euro, sowie 1 Gigabyte für 50 Euro. Allerdings ist Vorsicht geboten. Bestellt man das Paket nicht ab, verlängert es sich nach 30 Tagen wieder. Verbraucht man das Volumen schon früher, wird man aufgefordert, das Paket zu verlängern. Zumindest ist das das Ziel von Orange, derzeit arbeite man noch die technischen Details aus, gibt Krammer zu.
Dank an den Skilehrer
Ein bisschen müsse man dem Skilehrer danken, der eine Telefonrechnung von 25.000 Euro verursachte, musste Krammer zugeben. Zwar habe Orange schon länger an einer Umstellung seiner Tarifstruktur gearbeitet. "Die Sache hat das aber beschleunigt", sagt der Firmenchef. Dass man bisher durch die teurere Verrechnung außerhalb der Datenpakete willkommene Einnahmen gemacht hat, bestreitet er auch nicht. Allerdings: "Das war nicht geplant, das ist uns einfach passiert."
iPhone doppelt so stark wie Android
Orange präsentierte auch Informationen eines europaweiten Netztests von ARCchart. Demnach würde Österreich etwa gleichauf mit der Schweiz die höchste iPhone-Durchdringung pro Einwohner haben. Android sei nur halb so stark vertreten, berichtete Krammer. Das Land mit der höchsten Android-Rate sei Finnland. Die Smartphone-Penetration ist dort generell am höchsten, gefolgt von den Niederlanden und danach wieder gleichauf Österreich und die Schweiz. Für iPhone-Kunden gibt es eine gute Nachricht: Tethering wird ab sofort kostenlos sein, der Verbrauch wird über das normale Datenvolumen abgerechnet. Visual Voicemail wird aber weiterhin kostenpflichtig bleiben. Orange will dafür 1,5 Euro verlangen.
LTE nach wie vor kein Thema bei Orange
Die Orange-Quartalszahlen wollte Krammer nicht näher erläutern. Sie seien "nicht spektakulär" gewesen und würden sich "im bisherigen Trend" bewegen: Der Umsatz sinke leicht, aber das EBITDA bleibe stabil und die Kundenzahlen würden leicht steigen. Der Umsatz pro Kunde liege bei durchschnittlich 29 Euro pro Monat. Bei A1 sei dieser Wert innerhalb des letzten Jahrs von 30 auf 24 gesunken, gibt Krammer an. Und ergänzt nicht ohne Genugtuung: "Da tut sich was." Die Telekom Austria musste einen hohen Quartalsverlust bekannt geben, nachdem das Unternehmen Rückstellungen für Personalabbau gebildet hat. In ihrem Quartalsbericht schreibt die Telekom aber von 20,1 Euro für Mobilfunkkunden.
Die nächsten Investitionen für Orange seien jetzt der Ausbau der Netze und der Tausch der Infrastruktur, der innerhalb der nächsten Monate vonstatten gehen soll. Auf LTE will Krammer nach wie vor nicht setzen, da noch immer keine Endgeräte verfügbar seien.