Handystrahlen besonders stark in der U-Bahn

(c) Clemens Fabry
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Belastung übersteigt jene von zu Hause um ein Vielfaches. Grenzwerte, so Experten, würden jedoch nicht überschritten. Ob die Strahlung von Handys die Gesundheit gefährdet, ist zumindest nicht erwiesen.

Wien/Awe. Fährt der Zug ab, gehen die Mobiltelefone an. Jeder, der öffentliche Verkehrsmittel benutzt, kennt die Situation. Das hat Folgen. Die Dosis elektromagnetischer Mobilfunkstrahlung, der man in Bus, Straßen-, U- und Eisenbahn ausgesetzt ist, ist ebendort um ein Vielfaches höher als zu Hause oder im Büro. Potenziell gefährlich ist das trotzdem nicht. Oder präziser: Es ist zumindest nicht erwiesen. Das sagen Wissenschaftler mehrerer Disziplinen, die einmal jährlich das Thema Mobilfunk und Gesundheit für das Verkehrsministerium unter die Lupe nehmen.

Gestern, Donnerstag, war es wieder soweit. Das Gremium, das unter dem Namen Wissenschaftlicher Beirat Funk (WBF) tätig ist, zog Bilanz über ein Jahr Forschung darüber, ob die Strahlung von Handys und Sendemasten die Gesundheit von Menschen gefährdet. Das wiederholte Fazit lautet: Es fehlen die Beweise.

Datenlage „dürftig“

Grundlage für diesen Schluss war die Analyse von insgesamt 100 nationalen und internationalen Studien zum Thema. Die Experten des WBF (Mediziner, Techniker, Physiker) sollen, so das Ministerium, laufend über aktuelle Erkenntnisse aus der Welt der Wissenschaft informieren. Darunter fällt auch die eingangs erwähnte Studie über die Strahlenbelastung in öffentlichen Verkehrsmitteln. Dabei fanden die Autoren heraus, dass die Strahlung von Mobiltelefonen ebendort bis zu 90 Prozent der Gesamtbelastung ausmachen kann. Andere Strahlenquellen wie Radio, TV, Schnurlostelefone und WLAN teilen sich den Rest. Zum Vergleich: In den eigenen vier Wänden macht der Anteil des Handys gerade einmal sieben Prozent aus, dafür steigt jener von Schnurlostelefonen auf bis zu 50 Prozent.

Laut Norbert Vana, Vorsitzendem des WBF, hat das mehrere Gründe. Zum einen sei die Dichte an Mobiltelefonen in einer U-Bahn ziemlich hoch. Zum anderen würden die Geräte während der Fahrt mehrfach den Sender wechseln, an dem sie eingebucht sind. Während eines sogenannten „Uplinks“ sendet ein Mobiltelefon aber mit voller Leistung. In den engen Fahrgastkabinen summiere sich das dann. Nachsatz: „Geltende Grenzwerte werden dabei jedoch nicht überschritten.“

Kritische Ärzte und Bürgerinitiativen werfen dem WBF bis heute vor, das Thema Gefahren durch Mobilfunk zu verharmlosen. Tatsächlich äußerst sich der Beirat selten bis niemals kritisch. Das hat jedoch damit zu tun, dass das fachliche Wissen sowie der aktuelle Forschungsstand „nach wie vor dürftig“ sind, wie es Vanas Stellvertreter, der Mediziner Christian Wolf, ausdrückt. Ein Kriminalist würde also sagen, dass es weder eindeutig be-, noch entlastendes Material gebe. Und zwar immer unter der Voraussetzung, dass die Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation eingehalten werden.

Kritik der Grünen

So weist der WBF ausdrücklich darauf hin, dass allein das Vorhandensein von Handymasten bei sensiblen Personen nachweislich Störungen der Befindlichkeit hervorrufen könne. Die elektromagnetischen Strahlen des Mobilfunks sind daran jedoch nicht schuld. Die Testpersonen klagten nämlich selbst dann über ihren Zustand, wenn die Sendeanlagen ausgeschaltet waren.

Seit Jahren scharf kritisiert wird der Beirat von den Grünen. Infrastruktursprecherin Gabriela Moser fordert wegen der angeblich „tendenziösen PR-Arbeit“ des Gremiums seine Auflösung mit gleichzeitiger Neuansiedlung im Gesundheitsministerium. Ihr Vorwurf: Der WBF sei lange Zeit von der Mobilfunkbranche finanziert worden und daher „alles andere als unabhängig“.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.wbf.or.at

Auf einen Blick

100 Studien zum Thema Mobilfunk und Gesundheit hat der Wissenschaftliche Beirat Funk 2010 ausgewertet. Demnach sei unter Einhaltung der Grenzwerte mit keinen gesundheitlichen Schäden zu rechnen. Dennoch mahnen die Experten zu einem sorgsamen Umgang mit dem Handy.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2011)

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