3-Chef: "Wir werden weiter Gas geben"

3Chef werden weiter geben
3Chef werden weiter geben(c) REUTERS (HERWIG PRAMMER)
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Jan Trionow garantiert im DiePresse.com-Interview auch nach dem Kauf von Orange einen heißen Wettbewerb. Für den kommenden Mobile World Congress erwartet Trionow kaum Bahnbrechendes.

Hutchison 3G Austria, Betreiber von Österreichs kleinstem Mobilfunker 3 hat angekündigt, den nächstgrößten Konkurrenten Orange zu kaufen. DiePresse.com traf sich am Tag der Bekanntgabe mit 3-Chef Jan Trionow zu einem Gespräch über die Marktsituation in Österreich, zukünftige Handytechnologien und den kommenden Mobile World Congress. Die Messe in Barcelona ist der jährliche Höhepunkt der Mobilfunkbranche und üblicherweise der Ort für etliche Neuankündigungen.

DiePresse.com: Wie fühlen Sie sich als neuer Orange-Chef?

Jan Trionow: Also soweit ist es noch nicht, dass ich neuer Orange-Chef bin, aber natürlich ist es ein guter Tag für 3, ein guter Tag für mich persönlich, auch nach all den Jahren, wo immer orakelt wurde, was mit 3 passiert. Hier Schritt für Schritt die Erfolgsstory mit der Übernahme von Orange auszubauen, das ist ein sehr sehr gutes Gefühl.

Ausgerechnet Orange-Chef Michael Krammer hatte voriges Jahr in einem Interview gesagt: "Aus 3 wird operativ nichts." Fühlen Sie jetzt ein bisschen Schadenfreude?

So möchte ich es jetzt nicht nennen. Aber dass sich einige Leute verschätzt haben, das freut mich, ja.

Es gibt Leute, die behaupten, ohne den Kauf von Orange wäre Ihnen langfristig aufgrund des harten Wettbewerbs nichts anderes übrig geblieben, als sich aus dem Markt zurückzuziehen. Ist der Kauf die Flucht nach vorne?

Nein, ganz und gar nicht. Wir sind in den letzten Jahren auf einem stetigen Weg nach oben gewesen. Wir haben gegen den Branchentrend super Zuwachsraten gehabt, sowohl bei Kunden als auch beim Umsatz. Ohne dass ich jetzt Zahlen nennen kann, weil die erst im März verkündet werden, ist es auch 2011 so weitergegangen. Wir sind auf einem guten Weg gewesen, organisch zu wachsen. Der Kauf von Orange ist in keinster Weise ein Notaktion. Das ist jetzt der Beschleuniger.

So fix ist der Kauf ja noch nicht. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat bereits Zweifel angemeldet, dass der Deal so durchgehen wird.

Ich habe davon gehört, aber die Gespräche mit der BWB werden maßgeblich von A1 gestaltet, sie sind formal die anmeldende Partei. Da ist es jetzt zu früh, irgendeine Schlussfolgerung zu ziehen.

Wieviele Basisstationen hat Orange derzeit und wieviele werden verschwinden?

Orange hat rund 4600 Stationen, wir haben auch rund 4000. Das gemeinsame Netz wird deutlich besser für alle Kunden sein. Die genaue Zahl ist Gegenstand der Optimierungen. Aber 50 Prozent mehr Stationen zu unserem Bestand ist durchaus eine realistische Größenordnung.

In bestehende Orange-Tarife soll nicht eingegriffen werden. Was ist aber, wenn einer ausläuft?

Dass vereinzelt einmal alte Tarife auslaufen, gibt es bei anderen Betreibern auch. Da kommt es darauf an, was man den Kunden anbietet. Im Zweifel sind alte Tarife für uns sogar die profitableren. Wenn die Kunden damit zufrieden sind, wird jeder Betreiber den Teufel tun, daran etwas zu ändern. Typischerweise wird ja jeder neue Vertrag günstiger sein als alte Verträge bei der Marktentwicklung. Von daher braucht sich hier kein Kunde Gedanken machen, dass er durch irgendeine Maßnahme schlechter gestellt wird.

Das ist eben die Frage. Bei einigen in Ihrer Branche wurde die Konsolidierung regelrecht herbeigesehnt, um die Bremse im Preiskampf ziehen zu können. Sehen Sie das auch so?

Wettbewerb ist uns wichtig. Wenn man auf die Marktanteile nach der Transaktion schaut, haben wir 22 Prozent, T-Mobile 31 Prozent und A1 47 Prozent. Allein an der Verteilung sehen Sie schon, da gibt es für uns genügend Anreize, weiter Gas zu geben. Das werden wir tun.

Sie sprechen von Wettbewerb, überlassen A1 mit 750.000 Yesss!-Kunden aber einiges an Marktanteilen.

Das muss man ein bisschen genauer betrachten. Das sind in Wesentlichen Prepaid-Kunden, die weniger wertig sind als die Orange-Kunden. Von daher haben wir nicht das Gefühl, einen schlechten Deal gemacht zu haben.

Bei Bekanntgabe der Ergebnisse des Connect-Tests im Dezember haben Sie sich ja ziemlich gefreut.

Mit gutem Grund.

Jetzt werden Sie, wenn alles klappt, in einem halben Jahr doppelt so viele Kunden abwickeln müssen wie bisher. Wird das Netz das aushalten? Stehen da Erweiterungen an?

Wenn die Übernahme in ein paar Monaten abgeschlossen ist, erwarten wir uns insgesamt rund drei Millionen Kunden. Wir haben dann aber die 2,3-fache Frequenzausstattung als bisher, und es werden mehr Standorte da sein. Wir werden also genügend Ressourcen haben, um das abzufedern. Frequenzen sind dabei der effizienteste Weg, Kapazität auszubauen. Je mehr desto besser.

Davon hat aber A1 auch etwas.

An A1 gehen 23 Prozent der Orange-Frequenzen.

Nun haben aber nach Bekanntgabe des Deals einige Kunden in diversen Foren angekündigt, ihren Vertrag bei Orange kündigen zu wollen. Rechnen Sie damit, dass Ihnen viele Kunden abspringen?

Zunächst einmal hat heute kein Orange-Kunde einen Grund, irgendwas zu ändern. Orange wird mindestens bis zum Sommer Orange bleiben. Und dann werden wir um jeden Orange-Kunden kämpfen. Wir glauben, dass wir dort nicht viel verlieren werden, weil wir glauben, attraktive Angebote bieten zu können. Das sollte den Orange-Kunden gut gefallen.

In wenigen Wochen startet der Mobile World Congress, die wohl wichtigste Messe der Mobilfunkbranche. Was erwarten Sie sich als mögliche Highlights?

Ich denke nicht, dass grundlegend neue Dinge auftauchen werden. Da hat auch der MWC in der heutigen Online-Welt den Stellenwert verloren, dass dort die großen Sachen angekündigt werden. Diese passieren kontinuierlich, man sieht sie dort eben sehr kondensiert. LTE wird ein großes Thema sein. Ich hoffe, dass LTE in einem Kontext diskutiert wird, der heißt: "LTE muss zu einem Massenprodukt werden." Modems und Endgeräte müssen billiger werden, damit wir damit auch Kapazitätsengpässe adressieren können.

LTE

"Long Term Evolution" ist ein neuer Standard für mobiles Breitband-Internet. LTE verspricht Download-Geschwindigkeiten von bis zu 300 Megabit pro Sekunde statt derzeit gängiger HSDPA-Raten von 3,6 Megabit pro Sekunde. In Österreich gab es bereits erste Testläufe. Der noch schnellere Nachfolger "LTE Advanced" wurde auch bereits in Ausicht gestellt. Die Betreiber hoffen, mit der neuen Technik Datenverkehr kostengünstiger abwickeln zu können.

In Österreich sind die Frequenzen mit 2,6 Gigahertz aber nicht optimal. Bisher gibt es nur sporadische Versorgung im Stadtgebiet.

Das ist ein wichtiger Punkt. LTE wird bei der Digitalen Dividende und bei der 1800 MHz-Frequenz verwendet werden. Das ist im Zuge der Versteigerung zu erwarten. Ich gehe nicht davon aus, dass sich das ändern wird. Damit steht regulatorisch die Türe offen und wir haben mit den 1800er-Frequenzen von Orange dann auch die entsprechende Ausstattung. Das wird in Österreich der Boost für LTE sein.

Kommen wir direkt zu den Endgeräten: Was nutzen Sie eigentlich derzeit als Haupt-Handy?

Ein Samsung Galaxy S2.

Für den kommenden MWC wird ein Galaxy S3 mit Vierkern-Prozessor erwartet. Derzeit passiert ja ein regelrechtes Wettrüsten auf dem Gerätesektor. Kann der Kunde da noch mithalten oder ärgert er sich, wenn sein Top-Gerät in ein paar Monaten zum alten Eisen gehört?

Ganz so schlimm ist es ja nicht. Wenn heute jemand ein Galaxy S kauft (um bei Samsung zu bleiben) und die neueste Software drauf hat, hat er immer noch ein tolles Gerät. Aber wir sehen auch, dass die Neukunden, gerade bei 3, primär zum neuesten und besten greifen. Es gibt ohnehin die Möglichkeit, alle zwei Jahre ein günstiges Endgerät zu bekommen. Die Kunden machen davon auch Gebrauch. Zwei Jahre hält eine Gerätegeneration auch vernünftigerweise durch.

Inzwischen gibt es bei den Plattformen zwei Hauptakteure: Android und Apples iPhone. Jetzt wollen Nokia und Microsoft mit Windows Phone dazwischenfunken. Ist das die Achse der Verlierer oder rechnen Sie den beiden Herstellern echte Chancen aus?

Ich glaube schon, dass sie eine gute Chance haben. Es würde den Betreibern gut tun, drei Plattformen anbieten zu können. Microsoft und Nokia sind eine starke Kombination. Natürlich haben sie etwas aufzuholen, keine Frage, aber ich gebe ihnen eine durchaus gute Chance. Die neuen Lumia-Geräte verkaufen sich auch recht gut. Natürlich nicht so gut wie ein iPhone.

Von Händlern, die mit Apple zu tun haben, hört man immer wieder, dass die Margen für die Provider gering sind, beziehungsweise die Verträge mit dem Hersteller nicht immer die einfachsten. Ist Ihnen Android da lieber?

Die Beziehungen zu Lieferanten haben verschiedenste Facetten. Ja, Apple ist ein schwieriger Vertragspartner, das ist kein Geheimnis. Aber sie haben exzellente Produkte, für die die Kunden auch bereit sind, Geld auszugeben. Davon profitieren auch Betreiber. Andere Plattformen zeichnen sich durch mehr Offenheit und Gestaltungsspielraum aus. Für uns ist es die Mischung, die sticht.

Was wäre ein Feature bei Smartphones, das sie unbedingt gerne hätten?

Ich denke, beim Thema User Interface ist man noch nicht am Ende. Gerade die Eingabe von Text auf einem Touchscreen ist noch immer nicht ideal gelöst. Viele Business-User trauern ihren alten Blackberrys nach, weil sich damit E-Mails leichter schreiben ließen. Andererseits wollen sie auch die Möglichkeiten eines neuen iPhones haben. Slider-Geräte haben sich bisher nicht durchgesetzt, vielleicht weil die Formfaktoren noch zu klobig waren. Und dann gibt es noch das Thema faltbare Displays. Das wäre etwas, was dem Thema Tablets helfen könnte. Wenn man etwa ein 10-Zoll-Tablet einfach klappen könnte, das wäre wirklich genial. Die Technologie existiert ja bereits. Und ich hätte gerne ein Feature, mit dem man sehr einfach den Inhalt eines Smartphones auf jeden beliebigen Fernseher bringen kann. Etwa wenn man bei Freunden ist und Fotos herzeigen möchte. Da gibt es komplexe Lösungen und auch einfache Methoden, aber diesen Sprung vom Smartphone auf den großen Schirm zu machen, da besteht noch Raum für Verbesserungen.

Eine Technologie, die es bereits gibt, wurde am vorjährigen MWC stark forciert: NFC. Alle haben bereits das Handy als Kreditkarte angepriesen, Google Wallet wurde in den USA gestartet. Bei uns ist es da aber noch recht ruhig. Wann kann man ein 3-Handy als Geldbörse nutzen?

Der Knoten is sicher noch nicht geplatzt. Aber es werden verschiedenste Modelle diskutiert. Ob das 2012 soweit sein wird, bezweifle ich.

NFC

Near Field Communication (NFC) ist ein Standard zur drahtlosen Übertragung von Daten über eine Strecke von maximal zehn Zentimetern. Das System kommt vor allem bei drahtlosen Bezahldiensten oder bei Zugangskontroll-Systemen per Handy zum Einsatz. Bisher gibt es noch sehr wenige Geräte, die NFC unterstützen.

Was sind denn die größten Hindernisse?

Es muss ein funktionierendes Ökosystem geschaffen werden. Der Kunde muss es wollen, der Händler muss es anbieten, es muss entsprechende Endgeräte und Zahlungsanbieter geben. Es muss für alle funktionieren und der Einstieg muss einfach sein, damit die Anfangsinvestitionen getragen werden. Machbar wäre es ja heute schon.

Wären Sie dann die reine Datenpipeline oder auch Zahlungsdienstleister?

Das sind Fragen, die derzeit intensiv diskutiert werden, inwieweit die Mobilfunker in die Wertschöpfungskette eingebunden werden. Es wird auf jeden Fall Kooperationsmodelle geben.

Bleiben wir bei Rahmenbedingungen, allerdings regulatorischer und politischer Natur. Wo sehen Sie die größten Hindernisse in diesem Bereich?

Einerseits sind es Frequenzen und die anstehende Konsolidierung. Dann gibt es noch den Konsumentenschutz. Hier gibt es Tendenzen, das Thema komplett zu übertreiben. Die Regulierung rund um Konsumentenschutz ist sicherlich zu weitreichend interpretiert. Dort muss man die richtige Balance finden, was man durch Regulierung machen muss und was man dem Wettbewerb überlassen kann. Derzeit zeigen die Tendenzen sehr stark in Richtung Ausuferung des Konsumentenschutzes. Und zwar nicht unbedingt im Sinne des Konsumenten, sondern dass unter der Fahne des Konsumentenschutzes Einschränkungen gemacht werden, die im Endeffekt dem Konsumenten auch nicht helfen.

Haben Sie ein Beispiel?

Eines meiner Lieblingsbeispiele ist die kostenlose Papierrechnung, die in der TKG-Novelle verankert wurde. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Wir haben seit Jahren viele Kunden mit elektronischer Rechnung und Tarifen, die im Endeffekt ohnehin flat sind. Von daher zwanghaft eine Papierrechnung mit verbundenen Kosten drüberzustülpen und zu akzeptieren, dass diese Kosten auf die Kunden übergestülpt werden, ist in meinen Augen nicht im Sinne der Konsumenten.

Es gibt aber Kunden, die eine elektronische Rechnung nutzen wollen und ihre Gebühren online überweisen, aber nicht jedem Unternehmen eine Einzugsermächtigung erteilen wollen. Trotzdem bekommen diese eine Zahlscheingebühr aufgebrummt.

Wer eine Einzelzahlung macht, verursacht mehr Prozesskosten als eine automatische Abbuchung. Sollen diese Kosten von diesen einzelnen Personen getragen werden, oder auf alle verteilt werden? Das ist die Grundsatzfrage. Da gibt es jetzt keine einfache Antwort drauf. Aber das muss man sich vergegenwärtigen, dass die Dinge nicht einfach kostenlos sind.

(db)

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