Orange-Chef: Mobilfunk in Österreich unrentabel

Michael Krammer
Michael Krammer(c) Presse Digital (Daniel Breuss)
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Die Rahmenbedingungen seien katastrophal, wettert Michael Krammer. Seit 2006 sind die Umsätze trotz Wachstum dramatisch gefallen. Schuld daran sieht er die Politik.

Michael Krammer sieht düstere Zeiten auf den heimischen Mobilfunkmarkt zukommen. Während die Nachfrage steigt und damit auch die Nutzungsintensität der Telefonie- und Datendienste, sinken die Umsätze unaufhaltsam. Seit 2006 hat die Branche in Österreich hunderte Millionen Euro eingebüßt, insgesamt mehr als 20 Prozent. Umsätze pro verbrauchter Einheit sind von 23 auf nur vier Cent gesunken. Das Kundenwachstum betrug dagegen 41,1 Prozent, die Datendienste sind sogar um 13.500 Prozent gestiegen. Krammer sieht die Gesetzgeber gefragt, die in seinen Augen eine "Pseudo-Konsumentenschutzpolitik" durchführt.

Roaming-Regeln kosten 1,5 Millionen Euro

Wie so oft hat der wortgewaltige Orange-Chef im Rahmen eines Pressegesprächs auch gleich ein Beispiel auf Lager. Die neuen europäischen Roaming-Regeln würden Orange alleine auf einen Schlag 1,5 Millionen Euro kosten. Auch seien in Österreich die Terminierungsentgelte, also was die Betreiber von einander für die Zustellung von Gesprächen in fremde Netze verlangen dürfen, rascher als anderswo gesenkt worden. Zusammen mit dem Roaming würde das die Hälfte des Umsatzrückgangs von Orange seit 2006 ausmachen. Damals konnte das Unternehmen noch 617 Millionen Euro einnehmen. 2011 waren es nur noch 500 Millionen.

Dennoch konnte Orange sich nach Angaben Krammers noch gut halten. Mit einer EBITDA-Marge von 33,4 Prozent sei man den Mitbewerbern weit voraus. In absoluten Zahlen stieg das EBITDA von 2006 bis 2011 von 161 auf 167 Millionen Euro. 2010 konnte Orange hier noch 185 Millionen verbuchen. "Orange Österreich ist kerngesund", tönt Krammer stolz.

Innovationen nur noch in den USA

Als "Kernproblem" bezeichnet Krammer die Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach einem europäischen Binnenmarkt und der Tatsache, dass es 27 verschiedene Rechtsräume mit jeweils unterschiedlichen Mobilfunklizenzen gibt. "Das ist für Investoren nicht attraktiv", gibt es zu bedenken. Daher würden die Innovationen auch anderswo stattfinden. Die Fertigung von Handys und technischer Infrastruktur sei nach Asien abgewandert, die neuen Ideen kämen aus den USA, sagt Krammer. Für Neelie Kroes, EU-Kommissarin für die digitale Agenda, hat er wenig Gegenliebe übrig. Sie sei mehr an sinkenden Roaming-Gebühren als an nachhaltigen Investitionen interessiert, wettert der Orange-Chef.

LTE: Ohne Refarming "absolutes Minimum"

Hoffnungen hegt er für die neue Datenfunktechnik LTE. Kunden seien bereit, für mehr Leistung auch mehr zu zahlen, ist Krammer überzeugt. Dass es aber immer jemanden geben kann, der den Preis drückt, sei "ein Risiko, mit dem man rechnen muss". Aktuell sieht Krammer LTE in Österreich aber zum Scheitern verurteilt. "Mit 2,6 Gigahertz lässt sich kein LTE-Netz aufbauen." Sollten im Zuge der Neuvergabe der Frequenzen ("Refarming") im Herbst die Rahmenbedingungen nicht stimmen, werde nur "das absolute Minimum" ausgebaut. Die Betreiber sind aufgrund der Lizenzbedingungen verpflichtet, 25 Prozent der Bevölkerung mit LTE abzudecken. "Aber keine einzige Antenne mehr", stellt Krammer klar, falls die Frequenzlösung nicht kommt.

3 kauft Orange

Ob er selbst das noch erleben wird, ist allerdings fraglich. Orange Österreich hat einen gültigen Kaufvertrag mit Hutchison, dem Unternehmen hinter dem Betreiber 3, unterzeichnet. Für 1,3 Milliarden Euro verkaufen France Telecom und Mehrheitseigentümer Mid Europa Partners Orange an 3. Wenn die Wettbewerbshüter grünes Licht geben, wird die Marke Orange mit Jahresende in Österreich verschwinden. Die 2,3 Millionen Orange-Kunden werden samt der Infrastruktur und dem Personal an 3 gehen. Lediglich 750.000 Kunden der Billigmarke Yesss werden von A1 geschluckt.

Keine Angst vor Wettbewerbshütern

Genau wegen dieses letzten Teils hatte die Bundeswettbewerbsbehörde aber Bedenken geäußert. Krammer sieht allerdings kein Hindernis für die Transaktion. "Von 1000 Fusionen im europäischen Mobilfunkmarkt wurden zwei nicht genehmigt", sagt der Orange-Chef. Und die Gespräche mit der BWB seien bisher sehr konstruktiv, sachlich und "hochprofessionell" verlaufen. Dass A1 mit Yesss seine Marktanteile steigern wird, relaitivert Krammer. Rein von den Kundenzahlen wäre es ein Plus von sechs Prozent. Beim Umsatz machen die Yesss-Kunden aber nicht einmal ein Prozent des Gesamtmarktes aus, sagt Krammer. Das sei vernachlässigbar.

Krammer: Keine Zukunft bei Telekom

Seine eigene Zukunft lässt der erfahrene Manager weiterhin offen. "Bis zum Closing bleibe ich Orange verpflichtet", sagt Krammer. Eine Frühpension schließt der 52-Jährige aber definitiv aus. Genausowenig will er mit der Telekom Austria zu tun haben. Krammer sieht es als problematisch an, dass ein Betrieb, der von staatich geregelten Lizenzen abhängig ist, zu einem Teil genau diesem Staat gehört. Es wird spekuliert, dass Krammer seinen nächsten Job außerhalb Österreichs antreten wird. Dass er bereit ist, sich wieder einem anderen Chef unterzuordnen, gilt als unwahrscheinlich.

Plädoyer gegen Mitarbeiterabbau

Bis auf die Geschäftsführung, die nach Krammers Ansicht "sehr leicht einsparen" lässt, soll es aber keine großen Personalkürzungen geben. Für einige Zeit nach dem Kauf durch 3 müssen die Systeme ohnehin parallel betreut werden. Eine Vergleichbare Konsolidierung in den Niederlanden, wo Orange und T-Mobile zusammengegangen sind, führte zu Einsparungen in Höhe von 17 Prozent. Krammer hält im Gespräch aber seinen 800 Mitarbeitern die Treue. Sie seien der wahre Wert von Orange, nicht das Netz oder die Shop-Infrastruktur. Ein flammendes Plädoyer in Richtung 3, bei den anstehenden Kürzungen in ein bis zwei Jahren nicht allzu hart durchzugreifen.

(db)

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